Materialien 

 W.R.G.

(anonymer Verfasser)

Die Stadt als Magnet

Ein Bericht aus dem Jahre 1843

 

Es ist, wie wir zugeben, kaum zu glauben, daß eine Familie, die in einem überfüllten Hinterhof in einer rauchgrauen Stadt mit dem Blick aus schmutzigen Fenstern auf Ziegelmauern lebt, sich behaglicher fühlen kann, als wenn sie selbst den ärmsten Schuppen auf dem Lande mit dem klaren Himmel über sich und den grünen Feldern vor sich bewohnte; wenigstens können wir selbst unsere Überzeugung nicht aufgeben, daß, soweit es uns angeht, wir die drückendste Armut unter solchen Bedingungen einer vergleichbaren Fülle unter den ersteren vorziehen würden.  Aber nichts kann gewisser sein, als daß dies nicht dem Empfinden der Armen entspricht.  Die große Masse von ihnen beachtet und schätzt die Reize der Umgebung nicht.  Für sie gibt eine genügende Versorgung mit den Lebensnotwendigkeiten - ausreichendes Obdach und reichliches Essen den Ausschlag; und eine zusätzliche Mahlzeit oder ein besseres Bett wiegen mehr als alle bloßen Probleme der Umgebung.  Nun sind, allgemein gesprochen, für die wirklich Armen die materiellen Lebensbedürfnisse in einer Stadt leichter zu befriedigen als auf dem Land; die Häuser sind besser, die Löhne sind ausreichender, Beschäftigung für Kinder kann leichter gefunden werden, der Lebensstandard ist höher, und Wohltätigkeitsunterstützung und ärztliche Versorgung sind erreichbarer und näher.  Die Wirkung solcher Überlegungen auf die arbeitenden Klassen ist jüngst bemerkenswert veranschaulicht worden.  Nie zuvor war die Not in den Fabrikstädten so hart, so durchdringend oder so anhaltend wie während der letzten zwei Jahre.  Niemals war Arbeit so knapp, Unterhalt so kärglich und Elend und Krankheit so verbreitet.  An dieser Not waren die Zuwanderer aus den landwirtschaftlichen Gebieten voll beteiligt.  Aber nichts würde sie veranlaßt haben, in ihre Heimatgemeinden zurückzugehen.  Sie zogen es vor, das Äußerste in den Fabrikstädten zu ertragen, sich in der Hoffnung auf bessere Zeiten durch alle Entbehrungen zu quälen, anstatt Hilfe von der Armenfürsorge zu erbitten, sobald die Annahme solcher Hilfe ihre Rückkehr in die Heimatorte, von denen sie kürzlich abgewandert waren und von denen solche idyllischen Bilder gemalt worden sind, zur Folge gehabt hätte ... Die Armen können am besten beurteilen, was für sie Glück oder Elend ist.  Und wenn diejenigen, die das Leben eines Landarbeiters mit dem eines Fabrikarbeiters vertauscht haben, nicht nur kein Verlangen nach Rückkehr zu ihren früheren Lebensbedingungen besitzen, sondern eine solche Rückkehr selbst in den schlimmsten Phasen der Wirtschaftskrise wie den größten der Schrecken auf Erden fürchten, so kann das nur deswegen sein, weil sie auf dem Land mehr gelitten haben als in den Städten. 



 
Aus: "Resources of an Increasing Population. Emigration or Manufactures."
(gezeichnet W. R. G.), Westminster Review, Bd. 40, 1843
 

     Diese Seite wurde am 12.3.99 erstellt von Marc Albrecht