Gegensatz
von materialistischer
und idealistischer Anschauung
In: MEGA I, 1, Berlin 1981, S.
378-415
[Einleitung]
<17> Wie deutsche Ideologen melden, hat Deutschland in den
letzten Jahren eine Umwälzung ohnegleichen durchgemacht. Der Verwesungsprozeß
des Hegelschen Systems, der mit Strauß begann, hat sich zu einer Weltgärung
entwickelt, in welche alle "Mächte der Vergangenheit" hineingerissen
sind. In dem allgemeinen Chaos haben sich gewaltige Reiche gebildet, um alsbald
wieder unterzugehen, sind Heroen momentan aufgetaucht, um von kühneren und
mächtigeren Nebenbuhlern wieder in die Finsternis zurückgeschleudert zu werden.
Es war eine Revolution, wogegen die französische ein Kinderspiel ist, ein
Weltkampf, vor dem die Kämpfe der Diadochen kleinlich erscheinen. Die
Prinzipien verdrängten, die Gedankenhelden überstürzten einander mit unerhörter
Hast, und in den drei Jahren 1842-[18]45 wurde in Deutschland mehr aufgeräumt
als sonst in drei Jahrhunderten.
Alles dies soll sich im reinen Gedanken zugetragen
haben. Es handelt sich allerdings um ein interessantes Ereignis: um den
Verfaulungsprozeß des absoluten Geistes. Nach Erlöschen des letzten
Lebensfunkens traten die verschiedenen Bestandteile dieses caput
mortuum<wörtlich: toter Kopf, in der Chemie gebräuchliche Ausdruck für einen
Destillationsrückstand, hier: Rückstände, Überreste> in Dekomposition,
gingen neue Verbindungen ein und bildeten neue Substanzen. Die philosophischen
Industriellen, die bisher von der Exploitation des absoluten Geistes gelebt
hatten, warfen sich jetzt auf die neuen Verbindungen. Jeder betrieb den
Verschleiß des ihm zugefallenen Anteils mit möglichster Emsigkeit. Es konnte
dies nicht abgehen ohne Konkurrenz. Sie wurde anfangs ziemlich bürgerlich und
solide geführt. Später, als der deutsche Markt überführt war und die Ware trotz
aller Mühe auf dem Weltmarkt keinen Anklang fand, wurde das Geschäft nach
gewöhnlicher deutscher Manier verdorben durch fabrikmäßige und
Scheinproduktion, Verschlechterung der Qualität, Sophistikation des Rohstoffs,
Verfälschung der Etiketten, Scheinkäufe, Wechsel <18>
reiterei und ein aller reellen Grundlage entbehrendes Kreditsystem. Die
Konkurrenz lief in einen erbitterten Kampf aus, der uns jetzt als
welthistorischer Umschwung, als Erzeuger der gewaltigsten Resultate und
Errungenschaften angepriesen und konstruiert wird.
Um diese philosophische Marktschreierei, die
selbst in der Brust des ehrsamen deutschen Bürgers ein wohltätiges
Nationalgefühl erweckt, richtig zu würdigen, um die Kleinlichkeit, die lokale
Borniertheit dieser ganzen junghegelschen Bewegung, um namentlich den
tragikomischen Kontrast zwischen den wirklichen Leistungen dieser Helden und
den Illusionen über diese Leistungen anschaulich zu machen, ist es nötig, sich
den ganzen Spektakel einmal von einem Standpunkte anzusehen, der außerhalb
Deutschland liegt. (2)
A. Die Ideologie überhaupt,
namentlich die deutsche
Die deutsche Kritik hat bis auf ihre neuesten
Efforts den Boden der Philosophie nicht verlassen. Weit davon entfernt, ihre
allgemein-philosophischen Voraussetzungen zu untersuchen, sind ihre sämtlichen
Fragen sogar auf dem <19> Boden eines bestimmten
philosophischen Systems, des Hegelschen, gewachsen. Nicht nur in ihren
Antworten, schon in den Fragen selbst lag eine Mystifikation. Diese
Abhängigkeit von Hegel ist der Grund, warum keiner dieser neueren Kritiker eine
umfassende Kritik des Hegelschen Systems auch nur versuchte, sosehr Jeder von
ihnen behauptet, über Hegel hinaus zu sein. Ihre Polemik gegen Hegel und
gegeneinander beschränkt sich darauf, daß Jeder eine Seite des Hegelschen
Systems herausnimmt und diese sowohl gegen das ganze System wie gegen die von
den Andern herausgenommenen Seiten wendet. Im Anfange nahm man reine,
unverfälschte Hegelsche Kategorien heraus, wie Substanz und Selbstbewußtsein,
später profanierte man diese Kategorien durch weltlichere Namen, wie Gattung,
der Einzige, der Mensch etc.
Die gesamte deutsche philosophische Kritik von
Strauß bis Stirner beschränkt sich auf Kritik der religiösen Vorstellungen
(3). Man ging aus von der wirklichen Religion
und eigentlichen Theologie. Was religiöses Bewußtsein, religiöse Vorstellung
sei, wurde im weiteren Verlauf verschieden bestimmt. Der Fortschritt bestand
darin, die angeblich herrschenden metaphysischen, politischen, rechtlichen,
moralischen und andern Vorstellungen auch unter die Sphäre der religiösen oder
theologischen Vorstellungen zu subsumieren; ebenso das politische, rechtliche,
moralische Bewußtsein für religiöses oder theologisches Bewußtsein, und den
politischen, rechtlichen, moralischen Menschen, in letzter Instanz "den
Menschen", für religiös zu erklären. Die Herrschaft der Religion wurde
vorausgesetzt. Nach und nach wurde jedes herrschende Verhältnis für ein
Verhältnis der Religion erklärt und in Kultus verwandelt, Kultus des Rechts,
Kultus des Staats pp. Überall hatte man es nur mit Dogmen und dem Glauben an
Dogmen zu tun. Die Welt wurde in immer größerer Ausdehnung kanonisiert, bis
endlich der ehrwürdige Sankt Max sie en bloc heiligsprechen und damit ein für
allemal abfertigen konnte.
Die Althegelianer hatten Alles begriffen, sobald
es auf eine Hegelsche logische Kategorie zurückgeführt war. Die Junghegelianer kritisierten
Alles, indem sie ihm religiöse Vorstellungen unterschoben oder es für
theologisch erklärten. Die Junghegelianer stimmen mit den Althegelianern
überein in dem Glauben an die Herrschaft der Religion, der Begriffe, des
Allgemeinen in der bestehenden Welt. Nur bekämpfen die Einen die Herrschaft als
Usurpation, welche die Andern als legitim feiern,
Da bei diesen Junghegelianern die Vorstellungen,
Gedanken, Begriffe, <20> überhaupt die Produkte
des von ihnen verselbständigten Bewußtseins für die eigentlichen Fesseln der
Menschen gelten, gerade wie sie bei den Althegelianern für die wahren Bande der
menschlichen Gesellschaft erklärt werden, so versteht es sich, daß die
Junghegelianer auch nur gegen diese Illusionen des Bewußtseins zu kämpfen
haben. Da nach ihrer Phantasie die Verhältnisse der Menschen, ihr ganzes Tun
und Treiben, ihre Fesseln und Schranken Produkte ihres Bewußtseins sind, so
stellen die Junghegelianer konsequenterweise das moralische Postulat an sie,
ihr gegenwärtiges Bewußtsein mit dem menschlichen, kritischen oder egoistischen
Bewußtsein zu vertauschen und dadurch ihre Schranken zu beseitigen. Diese
Forderung, das Bewußtsein zu verändern, läuft auf die Forderung hinaus, das
Bestehende anders zu interpretieren, d.h. es vermittelst einer andren
Interpretation anzuerkennen. Die junghegelschen Ideologen sind trotz ihrer
angeblich "welterschütternden" Phrasen die größten Konservativen. Die
jüngsten von ihnen haben den richtigen Ausdruck für ihre Tätigkeit gefunden,
wenn sie behaupten, nur gegen "Phrasen" zu kämpfen. Sie
vergessen nur, daß sie diesen Phrasen selbst nichts als Phrasen entgegensetzen,
und daß sie die wirkliche bestehende Welt keineswegs bekämpfen, wenn sie nur
die Phrasen dieser Welt bekämpfen. Die einzigen Resultate, wozu diese
philosophische Kritik es bringen konnte, waren einige und noch dazu einseitige
religionsgeschichtliche Aufklärungen über das Christentum; ihre sämtlichen
sonstigen Behauptungen sind nur weitere Ausschmückungen ihres Anspruchs, mit
diesen unbedeutenden Aufklärungen welthistorische Entdeckungen geliefert zu
haben.
Keinem von diesen Philosophen ist es eingefallen,
nach dem Zusammenhange der deutschen Philosophie mit der deutschen
Wirklichkeit, nach dem Zusammenhange ihrer Kritik mit ihrer eignen materiellen
Umgebung zu fragen.
__________
Die Voraussetzungen, mit denen wir beginnen, sind
keine willkürlichen, keine Dogmen, es sind wirkliche Voraussetzungen, von denen
man nur in der Einbildung abstrahieren kann. Es sind die wirklichen Individuen,
ihre Aktion und ihre materiellen Lebensbedingungen, sowohl die vorgefundenen
wie die durch ihre eigne Aktion erzeugten. Diese Voraussetzungen sind also auf
rein empirischem Wege konstatierbar.
Die erste Voraussetzung aller Menschengeschichte
ist natürlich die Existenz lebendiger menschlicher Individuen (4).
Der erste zu konstatierende Tat- <21> bestand ist
also die körperliche Organisation dieser Individuen und ihr dadurch gegebenes
Verhältnis zur übrigen Natur. Wir können hier natürlich weder auf die physische
Beschaffenheit der Menschen selbst noch auf die von den Menschen vorgefundenen
Naturbedingungen, die geologischen, orohydrographischen, klimatischen und
andern Verhältnisse, eingehen (5).
Alle Geschichtschreibung muß von diesen natürlichen Grundlagen und ihrer
Modifikation im Lauf der Geschichte durch die Aktion der Menschen ausgehen.
Man kann die Menschen durch das Bewußtsein, durch
die Religion, durch was man sonst will, von den Tieren unterscheiden. Sie
selbst fangen an, sich von den Tieren zu unterscheiden, sobald sie anfangen,
ihre Lebensmittel zu produzieren, ein Schritt, der durch ihre körperliche
Organisation bedingt ist. Indem die Menschen ihre Lebensmittel produzieren,
produzieren sie indirekt ihr materielles Leben selbst.
Die Weise, in der die Menschen ihre Lebensmittel
produzieren, hängt zunächst von der Beschaffenheit der vorgefundenen und zu
reproduzierenden Lebensmittel selbst ab. Diese Weise der Produktion ist nicht
bloß nach der Seite hin zu betrachten, daß sie die Reproduktion der physischen
Existenz der Individuen ist. Sie ist vielmehr schon eine bestimmte Art der
Tätigkeit dieser Individuen, eine bestimmte Art, ihr Leben zu äußern, eine
bestimmte Lebensweise derselben. Wie die Individuen ihr Leben äußern, so
sind sie. Was sie sind, fällt also zusammen mit ihrer Produktion, sowohl damit,
was sie produzieren, als auch damit, wie sie produzieren. Was die
Individuen also sind, das hängt ab von den materiellen Bedingungen ihrer
Produktion.
Diese Produktion tritt erst ein mit der Vermehrung
der Bevölkerung. Sie setzt selbst wieder einen Verkehr der
Individuen untereinander voraus. Die Form dieses Verkehrs ist wieder durch die
Produktion bedingt.
Die Beziehungen verschiedener Nationen
untereinander hängen davon ab, wie weit jede von ihnen ihre Produktivkräfte,
die Teilung der Arbeit und den innern Verkehr entwickelt hat. Dieser Satz ist
allgemein anerkannt. Aber nicht nur die Beziehung einer Nation zu anderen,
sondern auch die ganze innere Gliederung dieser Nation selbst hängt von der
Entwicklungsstufe ihrer Produktion und ihres innern und äußern Verkehrs ab. Wie
weit die Produktionskräfte einer Nation entwickelt sind, zeigt am
augenscheinlichsten der <22> Grad, bis zu dem die
Teilung der Arbeit entwickelt ist. Jede neue Produktivkraft, sofern sie nicht
eine bloß quantitative Ausdehnung der bisher schon bekannten Produktivkräfte
ist (z.B. Urbarmachung von Ländereien), hat eine neue Ausbildung der Teilung
der Arbeit zur Folge.
Die Teilung der Arbeit innerhalb einer Nation
führt zunächst die Trennung der industriellen und kommerziellen von der
ackerbauenden Arbeit und damit die Trennung von Stadt und Land und
den Gegensatz der Interessen Beider herbei. Ihre weitere Entwicklung führt zur
Trennung der kommerziellen Arbeit von der industriellen. Zu gleicher Zeit
entwickeln sich durch die Teilung der Arbeit innerhalb dieser verschiednen
Branchen wieder verschiedene Abteilungen unter den zu bestimmten Arbeiten
zusammenwirkenden Individuen. Die Stellung dieser einzelnen Abteilungen
gegeneinander ist bedingt durch die Betriebsweise der ackerbauenden,
industriellen und kommerziellen Arbeit (Patriarchalismus, Sklaverei, Stände,
Klassen). Dieselben Verhältnisse zeigen sich bei entwickelterem Verkehr in den
Beziehungen verschiedner Nationen zueinander. Die verschiedenen
Entwicklungsstufen der Teilung der Arbeit sind ebensoviel verschiedene Formen
des Eigentums; d.h., die jedesmalige Stufe der Teilung der Arbeit bestimmt auch
die Verhältnisse der Individuen zueinander in Beziehung auf das Material,
Instrument und Produkt der Arbeit.
Die erste Form des Eigentums ist das
Stammeigentum. Es entspricht der unentwickelten Stufe der Produktion, auf der
ein Volk von Jagd und Fischfang, von Viehzucht oder höchstens vom Ackerbau sich
nährt. Es setzt in diesem letzteren Falle eine große Masse unbebauter
Ländereien voraus. Die Teilung der Arbeit ist auf dieser Stufe noch sehr wenig
entwickelt und beschränkt sich auf eine weitere Ausdehnung der in der Familie
gegebenen naturwüchsigen Teilung der Arbeit. Die gesellschaftliche Gliederung
beschränkt sich daher auf eine Ausdehnung der Familie: patriarchalische
Stammhäupter, unter ihnen die Stammitglieder, endlich Sklaven. Die in der
Familie latente Sklaverei entwickelt sich erst allmählich mit der Vermehrung
der Bevölkerung und der Bedürfnisse und mit der Ausdehnung des äußern Verkehrs,
sowohl des Kriegs wie des Tauschhandels.
Die zweite Form ist das antike Gemeinde- und
Staatseigentum, das namentlich aus der Vereinigung mehrerer Stämme zu einer Stadt
durch Vertrag oder Eroberung hervorgeht und bei dem die Sklaverei
fortbestehen bleibt. Neben dem Gemeindeeigentum entwickelt sich schon das
mobile und später auch das immobile Privateigentum, aber als eine abnorme, dem
Gemeindeeigentum untergeordnete Form. Die Staatsbürger besitzen nur in ihrer
Gemeinschaft die Macht über ihre arbeitenden Sklaven und sind schon deshalb <23> an die Form des Gemeindeeigentums gebunden. Es
ist das gemeinschaftliche Privateigentum der aktiven Staatsbürger, die den
Sklaven gegenüber gezwungen sind, in dieser naturwüchsigen Weise der
Assoziation zu bleiben. Daher verfällt die ganze hierauf basierende Gliederung der
Gesellschaft und mit ihr die Macht des Volks in demselben Grade, in dem
namentlich das immobile Privateigentum sich entwickelt. Die Teilung der Arbeit
ist schon entwickelter. Wir finden schon den Gegensatz von Stadt und Land,
später den Gegensatz zwischen Staaten, die das städtische und die das
Landinteresse repräsentieren, und innerhalb der Städte selbst den Gegensatz
zwischen Industrie und Seehandel. Das Klassenverhältnis zwischen Bürgern und
Sklaven ist vollständig ausgebildet.
Dieser ganzen Geschichtsauffassung scheint das
Faktum der Eroberung zu widersprechen. Man hat bisher die Gewalt, den Krieg,
Plünderung, Raubmord pp. zur treibenden Kraft der Geschichte gemacht. Wir
können uns hier nur auf die Hauptpunkte beschränken und nehmen daher nur das frappanteste
Beispiel, die Zerstörung einer alten Zivilisation durch ein barbarisches Volk
und die sich daran anknüpfende, von vorn anfangende Bildung einer neuen
Gliederung der Gesellschaft. (Rom und Barbaren, Feudalität und Gallien,
oströmisches Reich und Türken.) Bei dem erobernden Barbarenvolke ist der Krieg
selbst noch, wie schon oben angedeutet, eine regelmäßige Verkehrsform, die um
so eifriger exploitiert wird, je mehr der Zuwachs der Bevölkerung bei der
hergebrachten und für sie einzig möglichen rohen Produktionsweise das Bedürfnis
neuer Produktionsmittel schafft. In Italien dagegen war durch die Konzentration
des Grundeigentums (verursacht außer durch Aufkauf und Verschuldung auch noch
durch Erbschaft, indem bei der großen Liederlichkeit und den seltnen Heiraten
die alten Geschlechter allmählich ausstarben und ihr Besitz Wenigen zufiel) und
Verwandlung desselben in Viehweiden (die außer durch die gewöhnlichen, noch
heute gültigen ökonomischen Ursachen durch die Einfuhr geraubten und
Tributgetreides und den hieraus folgenden Mangel an Konsumenten für italisches
Korn verursacht wurde) die freie Bevölkerung fast verschwunden, die Sklaven
selbst starben immer wieder aus und mußten stets durch neue ersetzt werden. Die
Sklaverei blieb die Basis der gesamten Produktion. Die Plebejer, zwischen
Freien und Sklaven stehend, brachten es nie über ein Lumpenproletariat hinaus.
Überhaupt kam Rom nie über die Stadt hinaus und stand mit den Provinzen in
einem fast nur politischen Zusammenhange, der natürlich auch wieder durch
politische Ereignisse unterbrochen werden konnte.
<24> Mit der Entwicklung
des Privateigentums treten hier zuerst dieselben Verhältnisse ein, die wir beim
modernen Privateigentum, nur in ausgedehnterem Maßstabe, wiederfinden werden.
Einerseits die Konzentration des Privateigentums, die in Rom sehr früh anfing
(Beweis das licinische Ackergesetz), seit den Bürgerkriegen und namentlich
unter den Kaisern sehr rasch vor sich ging; andrerseits im Zusammenhange
hiermit die Verwandlung der plebejischen kleinen Bauern in ein Proletariat, das
aber bei seiner halben Stellung zwischen besitzenden Bürgern und Sklaven zu
keiner selbständigen Entwicklung kam.
Die dritte Form ist das feudale oder ständische
Eigentum. Wenn das Altertum von der Stadt und ihrem kleinen Gebiet
ausging, so ging das Mittelalter vom Lande aus. Die vorgefundene dünne,
über eine große Bodenfläche zersplitterte Bevölkerung, die durch die Eroberer
keinen großen Zuwachs erhielt, bedingte diesen veränderten Ausgangspunkt. Im
Gegensatz zu Griechenland und Rom beginnt die feudale Entwicklung daher auf
einem viel ausgedehnteren, durch die römischen Eroberungen und die anfangs
damit verknüpfte Ausbreitung der Agrikultur vorbereiteten Terrain. Die letzten
Jahrhunderte des verfallenden römischen Reichs und die Eroberung durch die
Barbaren selbst zerstörten eine Masse von Produktivkräften; der Ackerbau war
gesunken, die Industrie aus Mangel an Absatz verfallen, der Handel
eingeschlafen oder gewaltsam unterbrochen, die ländliche und städtische
Bevölkerung hatte abgenommen. Diese vorgefundenen Verhältnisse und die dadurch
bedingte Weise der Organisation der Eroberung entwickelten unter dem Einflusse
der germanischen Heerverfassung das feudale Eigentum. Es beruht, wie das Stamm-
und Gemeindeeigentum, wieder auf einem Gemeinwesen, dem aber nicht wie dem
antiken die Sklaven, sondern die leibeignen kleinen Bauern als unmittelbar
produzierende Klasse gegenüberstehen. Zugleich mit der vollständigen Ausbildung
des Feudalismus tritt noch der Gegensatz gegen die Städte hinzu. Die
hierarchische Gliederung des Grundbesitzes und die damit zusammenhängenden
bewaffneten Gefolgschaften gaben dem Adel die Macht über die Leibeignen. Diese
feudale Gliederung war ebensogut wie das antike Gemeindeeigentum eine
Assoziation gegenüber der beherrschten produzierenden Klasse; nur war die Form
der Assoziation und das Verhältnis zu den unmittelbaren Produzenten
verschieden, weil verschiedene Produktionsbedingungen vorlagen.
Dieser feudalen Gliederung des Grundbesitzes
entsprach in den Städten das korporative Eigentum, die feudale
Organisation des Handwerks. Das Eigentum bestand hier hauptsächlich in der
Arbeit jedes Einzelnen. Die Notwendigkeit der Assoziation gegen den
assoziierten Raubadel, das Bedürfnis <25>
gemeinsamer Markthallen in einer Zeit, wo der Industrielle zugleich Kaufmann
war, die wachsende Konkurrenz der den aufblühenden Städten zuströmenden
entlaufnen Leibeignen, die feudale Gliederung des ganzen Landes führten die Zünfte
herbei; die allmählich ersparten kleinen Kapitalien einzelner Handwerker
und ihre stabile Zahl bei der wachsenden Bevölkerung entwickelten das Gesellen-
und Lehrlingsverhältnis, das in den Städten eine ähnliche Hierarchie zustande
brachte wie die auf dem Lande.
Das Haupteigentum bestand während der Feudalepoche
also in Grundeigentum mit daran geketteter Leibeignenarbeit einerseits und
eigner Arbeit mit kleinem, die Arbeit von Gesellen beherrschendem Kapital
andrerseits. Die Gliederung von Beiden war durch die bornierten
Produktionsverhältnisse - die geringe und rohe Bodenkultur und die
handwerksmäßige Industrie - bedingt. Teilung der Arbeit fand in der Blüte des
Feudalismus wenig statt. Jedes Land hatte den Gegensatz von Stadt und Land in
sich; die Ständegliederung war allerdings sehr scharf ausgeprägt, aber außer
der Scheidung von Fürsten, Adel, Geistlichkeit und Bauern auf dem Lande und
Meistern, Gesellen, Lehrlingen und bald auch Taglöhnerpöbel in den Städten fand
keine bedeutende Teilung statt. Im Ackerbau war sie durch die parzellierte
Bebauung erschwert, neben der die Hausindustrie der Bauern selbst aufkam, in
der Industrie war die Arbeit in den einzelnen Handwerken selbst gar nicht,
unter ihnen sehr wenig geteilt. Die Teilung von Industrie und Handel wurde n
älteren Städten vorgefunden, entwickelte sich in den neueren erst später, als
die Städte unter sich in Beziehung traten.
Die Zusammenfassung größerer Länder zu feudalen
Königreichen war für den Grundadel wie für die Städte ein Bedürfnis. Die
Organisation der herrschenden Klasse, des Adels, hatte daher überall einen
Monarchen an der Spitze.
Die Tatsache ist also die: bestimmte Individuen,
die auf bestimmte Weise produktiv tätig sind, gehen diese bestimmten
gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse ein. Die empirische Beobachtung
muß in jedem einzelnen Fall den Zusammenhang der gesellschaftlichen und
politischen Gliederung mit der Produktion empirisch und ohne alle Mystifikation
und Spekulation aufweisen. Die gesellschaftliche Gliederung und der Staat gehen
beständig aus dem Lebensprozeß bestimmter Individuen hervor; aber dieser
Individuen, nicht wie sie in der eignen oder fremden Vorstellung erscheinen
mögen, sondern wie sie wirklich sind, d.h. wie sie wirken, materiell
produzieren, also wie sie unter bestimmten materiellen und von ihrer Willkür
unabhängigen Schranken, Voraussetzungen und Bedingungen tätig sind (6).
<26> Die Produktion der Ideen, Vorstellungen, des Bewußtseins
ist zunächst unmittelbar verflochten in die materielle Tätigkeit und den
materiellen Verkehr der Menschen, Sprache des wirklichen Lebens. Das
Vorstellen, Denken, der geistige Verkehr der Menschen erscheinen hier noch als
direkter Ausfluß ihres materiellen Verhaltens. Von der geistigen Produktion,
wie sie in der Sprache der Politik, der Gesetze, der Moral, der Religion,
Metaphysik usw. eines Volkes sich darstellt, gilt dasselbe. Die Menschen sind
die Produzenten ihrer Vorstellungen, Ideen pp., aber die wirklichen, wirkenden
Menschen, wie sie bedingt sind durch eine bestimmte Entwicklung ihrer
Produktivkräfte und des denselben entsprechenden Verkehrs bis zu seinen
weitesten Formationen hinauf. Das Bewußtsein kann nie etwas Andres sein als das
bewußte Sein, und das Sein der Menschen ist ihr wirklicher Lebensprozeß. Wenn
in der ganzen Ideologie die Menschen und ihre Verhältnisse wie in einer Camera
obscura auf den Kopf gestellt erscheinen, so geht dies Phänomen ebensosehr aus
ihrem historischen Lebensprozeß hervor, wie die Umdrehung der Gegenstände auf
der Netzhaut aus ihrem unmittelbar physischen.
Ganz im Gegensatz zur deutschen Philosophie,
welche vom Himmel auf die Erde herabsteigt, wird hier von der Erde zum Himmel
gestiegen. D.h., es wird nicht ausgegangen von dem, was die Menschen sagen,
sich einbilden, sich vorstellen, auch nicht von den gesagten, gedachten,
eingebildeten, vorgestellten Menschen, um davon aus bei den leibhaftigen
Menschen anzukommen; es wird von den wirklich tätigen Menschen ausgegangen und
aus ihrem wirklichen Lebensprozeß auch die Entwicklung der ideologischen
Reflexe und Echos dieses Lebensprozesses dargestellt. Auch die Nebelbildungen
im Gehirn der Menschen sind notwendige Sublimate ihres materiellen, empirisch
konstatierbaren und an materielle Voraussetzungen geknüpften Lebensprozesses.
Die Moral, Religion, Metaphysik und sonstige Ideologie und die ihnen
entsprechenden Bewußtseinsformen behalten hier- <27>
mit nicht länger den Schein der Selbständigkeit. Sie haben keine Geschichte,
sie haben keine Entwicklung, sondern die ihre materielle Produktion und ihren
materiellen Verkehr entwickelnden Menschen ändern mit dieser ihrer Wirklichkeit
auch ihr Denken und die Produkte ihres Denkens. Nicht das Bewußtsein bestimmt
das Leben, sondern das Leben bestimmt das Bewußtsein. In der ersten
Betrachtungsweise geht man von dem Bewußtsein als dem lebendigen Individuum
aus, in der zweiten, dem wirklichen Leben entsprechenden, von den wirklichen
lebendigen Individuen selbst und betrachtet das Bewußtsein nur als ihr Bewußtsein.
Diese Betrachtungsweise ist nicht voraussetzungslos.
Sie geht von den wirklichen Voraussetzungen aus, sie verläßt sie keinen
Augenblick. Ihre Voraussetzungen sind die Menschen nicht in irgendeiner
phantastischen Abgeschlossenheit und Fixierung, sondern in ihrem wirklichen,
empirisch anschaulichen Entwicklungsprozeß unter bestimmten Bedingungen. Sobald
dieser tätige Lebensprozeß dargestellt wird, hört die Geschichte auf, eine
Sammlung toter Fakta zu sein, wie bei den selbst noch abstrakten Empirikern,
oder eine eingebildete Aktion eingebildeter Subjekte, wie bei den Idealisten.
Da, wo die Spekulation aufhört, beim wirklichen
Leben, beginnt also die wirkliche, positive Wissenschaft, die Darstellung der
praktischen Betätigung, des praktischen Entwicklungsprozesses der Menschen. Die
Phrasen vom Bewußtsein hören auf, wirkliches Wissen muß an ihre Stelle treten.
Die selbständige Philosophie verliert mit der Darstellung der Wirklichkeit ihr
Existenzmedium. An ihre Stelle kann höchstens eine Zusammenfassung der
allgemeinsten Resultate treten, die sich aus der Betrachtung der historischen
Entwicklung der Menschen abstrahieren lassen. Diese Abstraktionen haben für
sich, getrennt von der wirklichen Geschichte, durchaus keinen Wert. Sie können
nur dazu dienen, die Ordnung des geschichtlichen Materials zu erleichtern, die
Reihenfolge seiner einzelnen Schichten anzudeuten. Sie geben aber keineswegs,
wie die Philosophie, ein Rezept oder Schema, wonach die geschichtlichen Epochen
zurechtgestutzt werden können. Die Schwierigkeit beginnt im Gegenteil erst da,
wo man sich an die Betrachtung und Ordnung des Materials, sei es einer
vergangnen Epoche oder der Gegenwart, an die wirkliche Darstellung gibt. Die
Beseitigung dieser Schwierigkeiten ist durch Voraussetzungen bedingt, die
keineswegs hier gegeben werden können, sondern die erst aus dem Studium des
wirklichen Lebensprozesses und der Aktion der Individuen jeder Epoche sich
ergeben. Wir nehmen hier einige dieser Abstraktionen heraus, die wir gegenüber
der Ideologie gebrauchen, und werden sie an historischen Beispielen erläutern.
<28> Wir müssen bei den voraussetzungslosen Deutschen damit
anfangen, daß wir die erste Voraussetzung aller menschlichen Existenz, also
auch aller Geschichte konstatieren, nämlich die Voraussetzung, daß die Menschen
imstande sein müssen zu leben, um "Geschichte machen" zu können (7). Zum Leben aber gehört vor Allem Essen und
Trinken, Wohnung, Kleidung und noch einiges Andere. Die erste geschichtliche
Tat ist also die Erzeugung der Mittel zur Befriedigung dieser Bedürfnisse, die
Produktion des materiellen Lebens selbst, und zwar ist dies eine geschichtliche
Tat, eine Grundbedingung aller Geschichte, die noch heute, wie vor
Jahrtausenden, täglich und stündlich erfüllt werden muß, um die Menschen nur am
Leben zu erhalten. Selbst wenn die Sinnlichkeit, wie heim heiligen Bruno, auf
einen Stock, auf das Minimum reduziert ist, setzt sie die Tätigkeit der
Produktion dieses Stockes voraus. Das Erste also bei aller geschichtlichen
Auffassung ist, daß man diese Grundtatsache in ihrer ganzen Bedeutung und ihrer
ganzen Ausdehnung beobachtet und zu ihrem Rechte kommen läßt. Dies haben die
Deutschen bekanntlich nie getan, daher nie eine irdische Basis für die
Geschichte und folglich nie einen Historiker gehabt. Die Franzosen und
Engländer, wenn sie auch den Zusammenhang dieser Tatsache mit der sogenannten
Geschichte nur höchst einseitig auffaßten, namentlich solange sie in der
politischen Ideologie befangen waren, so haben sie doch immerhin die ersten
Versuche gemacht, der Geschichtschreibung eine materialistische Basis zu geben,
indem sie zuerst Geschichten der bürgerlichen Gesellschaft, des Handels und der
Industrie schrieben.
Das Zweite ist, daß das befriedigte erste
Bedürfnis selbst, die Aktion der Befriedigung und das schon erworbene
Instrument der Befriedigung zu neuen Bedürfnissen führt - und diese Erzeugung
neuer Bedürfnisse ist die erste geschichtliche Tat. Hieran zeigt sich sogleich,
wes Geistes Kind die große historische Weisheit der Deutschen ist, die da, wo
ihnen das positive Material ausgeht und wo weder theologischer noch politischer
noch literarischer Unsinn verhandelt wird, gar keine Geschichte, sondern die
"vorgeschichtliche Zeit" sich ereignen lassen, ohne uns indes darüber
aufzuklären, wie man aus diesem Unsinn der "Vorgeschichte" in die
eigentliche Geschichte kommt - obwohl auf der andern Seite ihre historische
Spekulation sich ganz besonders auf diese "Vorgeschichte" wirft, weil
sie da sicher <29> zu sein glaubt vor den
Eingriffen des "rohen Faktums" und zugleich, weil sie hier ihrem
spekulierenden Triebe alle Zügel schießen lassen und Hypothesen zu Tausenden
erzeugen und umstoßen kann.
Das dritte Verhältnis, was hier gleich von
vornherein in die geschichtliche Entwicklung eintritt, ist das, daß die
Menschen, die ihr eignes Leben täglich neu machen, anfangen, andre Menschen zu
machen, sich fortzupflanzen das Verhältnis zwischen Mann und Weib, Eltern und
Kindern, die Familie. Diese Familie, die im Anfange das einzige soziale
Verhältnis ist, wird späterhin, wo die vermehrten Bedürfnisse neue
gesellschaftliche Verhältnisse, und die vermehrte Menschenzahl neue Bedürfnisse
erzeugen, zu einem untergeordneten (ausgenommen in Deutschland) und muß alsdann
nach den existierenden empirischen Daten, nicht nach dem "Begriff der
Familie", wie man in Deutschland zu tun pflegt, behandelt und entwickelt
werden (8). Übrigens sind diese drei Seiten der
sozialen Tätigkeit nicht als drei verschiedene Stufen zu fassen, sondern eben
nur als drei Seiten, oder um für die Deutschen klar zu schreiben, drei
"Momente", die vom Anbeginn der Geschichte an und seit den ersten
Menschen zugleich existiert haben und sich noch heute in der Geschichte geltend
machen.
Die Produktion des Lebens, sowohl des eignen in
der Arbeit wie des fremden in der Zeugung, erscheint nun schon sogleich als ein
doppeltes Verhältnis - einerseits als natürliches, andrerseits als
gesellschaftliches Verhältnis -, <30>
gesellschaftlich in dem Sinne, als hierunter das Zusammenwirken mehrerer
Individuen, gleichviel unter welchen Bedingungen, auf welche Weise und zu
welchem Zweck, verstanden wird. Hieraus geht hervor, daß eine bestimmte
Produktionsweise oder industrielle Stufe stets mit einer bestimmten Weise des
Zusammenwirkens oder gesellschaftlichen Stufe vereinigt ist, und diese Weise
des Zusammenwirkens ist selbst eine "Produktivkraft", daß die Menge
der den Menschen zugänglichen Produktivkräfte den gesellschaftlichen Zustand
bedingt und also die "Geschichte der Menschheit" stets im
Zusammenhange mit der Geschichte der Industrie und des Austausches studiert und
bearbeitet werden muß. Es ist aber auch klar, wie es in Deutschland unmöglich
ist, solche Geschichte zu schreiben, da den Deutschen dazu nicht nur die
Auffassungsfähigkeit und das Material, sondern auch die "sinnliche
Gewißheit" abgeht und man jenseits des Rheins über diese Dinge keine
Erfahrungen machen kann, weil dort keine Geschichte mehr vorgeht. Es zeigt sich
also schon von vornherein ein materialistischer Zusammenhang der Menschen
untereinander, der durch die Bedürfnisse und die Weise der Produktion bedingt
und so alt ist wie die Menschen selbst - ein Zusammenhang, der stets neue
Formen annimmt und also eine "Geschichte" darbietet, auch ohne daß
irgendein politischer oder religiöser Nonsens existiert, der die Menschen noch
extra zusammenhalte.
Jetzt erst, nachdem wir bereits vier Momente, vier
Seiten der ursprünglichen, geschichtlichen Verhältnisse betrachtet haben,
finden wir, daß der Mensch auch "Bewußtsein" hat (9).
Aber auch dies nicht von vornherein, als "reines" Bewußtsein. Der
"Geist" hat von vornherein den Fluch an sich, mit der Materie
"behaftet" zu sein, die hier in der Form von bewegten Luftschichten,
Tönen, kurz der Sprache auftritt. Die Sprache ist so alt wie das Bewußtsein -
die Sprache ist das praktische, auch für andre Menschen existierende,
also auch für mich selbst erst existierende wirkliche Bewußtsein, und die
Sprache entsteht, wie das Bewußtsein, erst aus dem Bedürfnis, der Notdurft des
Verkehrs mit andern Menschen (10).
Wo ein Verhältnis existiert, da existiert es für mich, das Tier "verhält"
sich zu Nichts und überhaupt nicht. Für das Tier existiert sein Verhältnis
zu andern nicht als Verhältnis. Das <31>
Bewußtsein ist also von vornherein schon ein gesellschaftliches Produkt und
bleibt es, solange überhaupt Menschen existieren. Das Bewußtsein ist natürlich
zuerst bloß Bewußtsein über die nächste sinnliche Umgebung und
Bewußtsein des bornierten Zusammenhanges mit andern Personen und Dingen außer
dem sich bewußt werdenden Individuum; es ist zu gleicher Zeit Bewußtsein der
Natur, die den Menschen anfangs als eine durchaus fremde, allmächtige und
unangreifbare Macht gegenübertritt, zu der sich die Menschen rein tierisch
verhalten, von der sie sich imponieren lassen wie das Vieh; und also ein rein
tierisches Bewußtsein der Natur (Naturreligion).
Man sieht hier sogleich: Diese Naturreligion oder
dies bestimmte Verhalten zur Natur ist bedingt durch die Gesellschaftsform und
umgekehrt. Hier wie überall tritt die Identität von Natur und Mensch auch so
hervor, daß das bornierte Verhalten der Menschen zur Natur ihr borniertes
Verhalten zueinander, und ihr borniertes Verhalten zueinander ihr borniertes
Verhältnis zur Natur bedingt, eben weil die Natur noch kaum geschichtlich
modifiziert ist, und andrerseits Bewußtsein der Notwendigkeit, mit den
umgebenden Individuen in Verbindung zu treten, der Anfang des Bewußtseins
darüber, daß er überhaupt in einer Gesellschaft lebt. Dieser Anfang ist so
tierisch wie das gesellschaftliche Leben dieser Stufe selbst, er ist bloßes Herdenbewußtsein,
und der Mensch unterscheidet sich hier vom Hammel nur dadurch, daß sein
Bewußtsein ihm die Stelle des Instinkts vertritt, oder daß sein Instinkt ein
bewußter ist. Dieses Hammel- oder Stammbewußtsein erhält seine weitere
Entwicklung und Ausbildung durch die gesteigerte Produktivität, die Vermehrung
der Bedürfnisse und die Beiden zum Grunde liegende Vermehrung der Bevölkerung.
Damit entwickelt sich die Teilung der Arbeit, die ursprünglich nichts war als
die Teilung der Arbeit im Geschlechtsakt, dann Teilung der Arbeit, die sich
vermöge der natürlichen Anlage (z.B. Körperkraft), Bedürfnisse, Zufälle etc.
etc. von selbst oder "naturwüchsig" macht. Die Teilung der Arbeit
wird erst wirklich Teilung von dem Augenblicke an, wo eine Teilung der materiellen
und geistigen Arbeit eintritt (11).
Von diesem Augenblicke an kann sich das Bewußtsein wirklich einbilden,
etwas Andres als das Bewußtsein der bestehenden Praxis zu sein, wirklich etwas
vorzustellen, ohne etwas Wirkliches vorzustellen - von diesem Augenblicke an
ist das Bewußtsein imstande, sich von der Welt zu emanzipieren und zur Bildung
der "reinen" Theorie, Theologie, Philosophie, Moral etc. überzugehen.
Aber selbst wenn diese Theorie, Theologie, Philosophie, Moral etc. in
Widerspruch mit den bestehenden Verhältnissen treten, so kann dies nur dadurch
geschehen, daß die bestehenden gesellschaftlichen Verhält- <32>
nisse mit der bestehenden Produktionskraft in Widerspruch getreten sind - was
übrigens in einem bestimmten nationalen Kreise von Verhältnissen auch dadurch
geschehen kann, daß der Widerspruch nicht in diesem nationalen Umkreis, sondern
zwischen diesem nationalen Bewußtsein und der Praxis der anderen Nationen (12), d.h. zwischen dem nationalen und
allgemeinen Bewußtsein einer Nation sich einstellt.
Übrigens ist es ganz einerlei, was das Bewußtsein
alleene anfängt, wir erhalten aus diesem ganzen Dreck nur das eine Resultat,
daß diese drei Momente, die Produktionskraft, der gesellschaftliche Zustand und
das Bewußtsein, in Widerspruch untereinander geraten können und müssen, weil
mit der Teilung der Arbeit die Möglichkeit, ja die Wirklichkeit gegeben
ist, daß die geistige und materielle Tätigkeit - daß der Genuß und die Arbeit,
Produktion und Konsumtion, verschiedenen Individuen zufallen, und die
Möglichkeit, daß sie nicht in Widerspruch geraten, nur darin liegt, daß die
Teilung der Arbeit wieder aufgehoben wird. Es versteht sich übrigens von
selbst, daß die "Gespenster", "Bande", "höheres
Wesen", "Begriff", "Bedenklichkeit" bloß der
idealistische geistliche Ausdruck, die Vorstellung scheinbar des vereinzelten
Individuums sind, die Vorstellung von sehr empirischen Fesseln und Schranken,
innerhalb deren sich die Produktionsweise des Lebens und die damit
zusammenhängende Verkehrsform bewegt.
Mit der Teilung der Arbeit, in welcher alle diese
Widersprüche gegeben sind und welche ihrerseits wieder auf der naturwüchsigen
Teilung der Arbeit in der Familie und der Trennung der Gesellschaft in
einzelne, einander entgegengesetzte Familien beruht, ist zu gleicher Zeit auch
die Verteilung, und zwar die ungleiche, sowohl quantitative wie
qualitative Verteilung der Arbeit und ihrer Produkte gegeben, also das
Eigentum, das in der Familie, wo die Frau und die Kinder die Sklaven des Mannes
sind, schon seinen Keim, seine erste Form hat. Die freilich noch sehr rohe,
latente Sklaverei in der Familie ist das erste Eigentum, das übrigens hier
schon vollkommen der Definition der modernen Ökonomen entspricht, nach der es
die Verfügung über fremde Arbeitskraft ist. Übrigens sind Teilung der Arbeit
und Privateigentum identische Ausdrücke - in dem Einen wird in Beziehung auf
die Tätigkeit dasselbe ausgesagt, was in dem Andern in bezug auf das Produkt
der Tätigkeit ausgesagt wird.
Ferner ist mit der Teilung der Arbeit zugleich der
Widerspruch zwischen dem Interesse des einzelnen Individuums oder der einzelnen
Familie und dem <33> gemeinschaftlichen Interesse
aller Individuen, die miteinander verkehren, gegeben; und zwar existiert dies
gemeinschaftliche Interesse nicht bloß in der Vorstellung, als
"Allgemeines", sondern zuerst in der Wirklichkeit als gegenseitige
Abhängigkeit der Individuen, unter denen die Arbeit geteilt ist. Und endlich
bietet uns die Teilung der Arbeit gleich das erste Beispiel davon dar, daß,
solange die Menschen sich in der naturwüchsigen Gesellschaft befinden, solange
also die Spaltung zwischen dem besondern und gemeinsamen Interesse existiert,
solange die Tätigkeit also nicht freiwillig, sondern naturwüchsig geteilt ist,
die eigne Tat des Menschen ihm zu einer fremden, gegenüberstehenden Macht wird,
die ihn unterjocht, statt daß er sie beherrscht. Sowie nämlich die Arbeit verteilt
zu werden anfängt, hat Jeder einen bestimmten ausschließlichen Kreis der
Tätigkeit, der ihm aufgedrängt wird, aus dem er nicht heraus kann; er ist
Jäger, Fischer oder Hirt oder kritischer Kritiker und muß es bleiben, wenn er
nicht die Mittel zum Leben verlieren will - während in der kommunistischen
Gesellschaft, wo Jeder nicht einen ausschließlichen Kreis der Tätigkeit hat,
sondern sich in jedem beliebigen Zweige ausbilden kann, die Gesellschaft die
allgemeine Produktion regelt und mir eben dadurch möglich macht, heute dies,
morgen jenes zu tun, morgens zu jagen, nachmittags zu fischen, abends Viehzucht
zu treiben, nach dem Essen zu kritisieren, wie ich gerade Lust habe, ohne je
Jäger, Fischer, Hirt oder Kritiker zu werden. Dieses Sichfestsetzen der sozialen
Tätigkeit, diese Konsolidation unsres eignen Produkts zu einer sachlichen
Gewalt über uns, die unsrer Kontrolle entwächst, unsre Erwartungen durchkreuzt,
unsre Berechnungen zunichte macht, ist eines der Hauptmomente in der bisherigen
geschichtlichen Entwicklung, und eben aus diesem Widerspruch des besondern und
gemeinschaftlichen Interesses nimmt das gemeinschaftliche Interesse als Staat
eine selbständige Gestaltung, getrennt von den wirklichen Einzel- und
Gesamtinteressen, an, und zugleich als illusorische Gemeinschaftlichkeit, aber
stets auf der realen Basis der in jedem Familien- und Stamm-Konglomerat
vorhandenen Bänder, wie Fleisch und Blut, Sprache, Teilung der Arbeit im
größeren Maßstabe und sonstigen Interessen - und besonders, wie wir später entwickeln
werden, der durch die Teilung der Arbeit bereits bedingten Klassen, die in
jedem derartigen Menschenhaufen sich absondern und von denen eine alle andern
beherrscht. Hieraus folgt, daß alle Kämpfe innerhalb des Staats, der Kampf
zwischen Demokratie, Aristokratie und Monarchie, der Kampf um das Wahlrecht
etc. etc., nichts als die illusorischen Formen sind, in denen die wirklichen
Kämpfe der verschiednen Klassen untereinander geführt werden (wovon die
deutschen Theoretiker nicht eine Silbe ahnen, trotzdem daß man ihnen in den
"Deutsch-Französischen Jahr- <34> büchern"
und der "Heiligen Familie" dazu Anleitung genug gegeben hatte), und
ferner, daß jede nach der Herrschaft strebende Klasse, wenn ihre Herrschaft
auch, wie dies beim Proletariat der Fall ist, die Aufhebung der ganzen alten
Gesellschaftsform und der Herrschaft überhaupt bedingt, sich zuerst die
politische Macht erobern muß, um ihr Interesse wieder als das Allgemeine, wozu
sie im ersten Augenblick gezwungen ist, darzustellen. Eben weil die Individuen nur
ihr besondres, für sie nicht mit ihrem gemeinschaftlichen Interesse
zusammenfallendes suchen, überhaupt das Allgemeine illusorische Form der
Gemeinschaftlichkeit, wird dies als ein ihnen "fremdes" und von ihnen
"unabhängiges", als ein selbst wieder besonderes und eigentümliches
"Allgemein "-Interesse geltend gemacht, oder sie selbst müssen sich
in diesem Zwiespalt bewegen" wie in der Demokratie. Andrerseits macht denn
auch der praktische Kampf dieser beständig wirklich den
gemeinschaftlichen und illusorischen gemeinschaftlichen Interessen
entgegentretenden Sonderinteressen die praktische Dazwischenkunft und
Zügelung durch das illusorische "Allgemein"-Interesse als Staat
nötig. Die soziale Macht, d.h. die vervielfachte Produktionskraft, die durch
das in der Teilung der Arbeit bedingte Zusammenwirken der verschiedenen
Individuen entsteht, erscheint diesen Individuen, weil das Zusammenwirken
selbst nicht freiwillig, sondern naturwüchsig ist, nicht als ihre eigne,
vereinte Macht, sondern als eine fremde, außer ihnen stehende Gewalt, von der
sie nicht wissen woher und wohin, die sie also nicht mehr beherrschen können,
die im Gegenteil nun eine eigentümliche, vom Wollen und Laufen der Menschen
unabhängige, ja dies Wollen und Laufen erst dirigierende Reihenfolge von Phasen
und Entwicklungsstufen durchläuft.
Diese "Entfremdung", um den
Philosophen verständlich zu bleiben, kann natürlich nur unter zwei praktischen
Voraussetzungen aufgehoben werden. Damit sie eine "unerträgliche"
Macht werde, d.h. eine Macht, gegen die man revolutioniert, dazu gehört, daß
sie die Masse der Menschheit als durchaus "Eigentumslos" erzeugt hat
und zugleich im Widerspruch zu einer vorhandnen Welt des Reichtums und der
Bildung, was beides eine große Steigerung der Produktivkraft, einen hohen Grad
ihrer Entwicklung voraussetzt - und andrerseits ist diese Entwicklung der
Produktivkräfte (womit zugleich schon die in weltgeschichtlichem, statt
der in lokalem Dasein der Menschen vorhandne empirische Existenz gegeben ist)
auch deswegen eine absolut notwendige praktische Voraussetzung, weil ohne sie
nur der Mangel verallgemeinert, also mit der Notdurft auch der
Streit um das Notwendige wieder beginnen und <35>
die ganze alte Scheiße sich herstellen müßte, weil ferner nur mit dieser
universellen Entwicklung der Produktivkräfte ein universeller Verkehr
der Menschen gesetzt ist, daher einerseits das Phänomen der
"Eigentumslosen" Masse in Allen Völkern gleichzeitig erzeugt
(allgemeine Konkurrenz), jedes derselben von den Umwälzungen der andern abhängig
macht, und endlich weltgeschichtliche, empirisch universelle Individuen
an die Stelle der lokalen gesetzt hat. Ohne dies könnte 1. der Kommunismus nur
als eine Lokalität existieren, 2. die Mächte des Verkehrs selbst hätten
sich als universelle, drum unerträgliche Machte nicht entwickeln können,
sie wären heimisch-abergläubige "Umstände" geblieben, und 3. würde
jede Erweiterung des Verkehrs den lokalen Kommunismus aufheben. Der Kommunismus
ist empirisch nur als die Tat der herrschenden Völker "auf einmal"
und gleichzeitig möglich, was die universelle Entwicklung der Produktivkraft
und den mit ihm zusammenhängenden Weltverkehr voraussetzt. Wie hätte sonst z.B.
das Eigentum überhaupt eine Geschichte haben, verschiedene Gestalten annehmen,
und etwa das Grundeigentum je nach der verschiedenen vorliegende Voraussetzung
in Frankreich aus der Parzellierung zur Zentralisation in wenigen Händen, in
England aus der Zentralisation in wenigen Händen zur Parzellierung drängen
können, wie dies heute wirklich der Fall ist? Oder wie kommt es, daß der
Handel, der doch weiter nichts ist als der Austausch der Produkte verschiedner
Individuen und Länder, durch das Verhältnis von Nachfrage und Zufuhr die ganze
Welt beherrscht - ein Verhältnis, das, wie ein englischer Ökonom sagt, gleich
dem antiken Schicksal über der Erde schwebt und mit unsichtbarer Hand Glück und
Unglück an die Menschen verteilt, Reiche stiftet und Reiche zertrümmert, Völker
entstehen und verschwinden macht -, während mit der Aufhebung der Basis, des
Privateigentums, mit der kommunistischen Regelung der Produktion und der darin
liegenden Vernichtung der Fremdheit, mit der sich die Menschen zu ihrem eignen
Produkt verhalten, die Macht des Verhältnisses von Nachfrage und Zufuhr sich in
Nichts auflöst und die Menschen den Austausch, die Produktion, die Weise ihres
gegenseitigen Verhaltens wieder in ihre Gewalt bekommen?
Der Kommunismus ist für uns nicht ein Zustand, der
hergestellt werden soll, ein Ideal, wonach die Wirklichkeit sich zu
richten haben [wird]. Wir nennen Kommunismus die wirkliche Bewegung,
welche den jetzigen Zustand aufhebt. Die Bedingungen dieser Bewegung ergeben
sich aus der jetzt bestehenden Voraussetzung. Übrigens setzt die Masse von bloßen
Arbeitern - <36> massenhafte, von Kapital oder
von irgendeiner bornierten Befriedigung abgeschnittne Arbeiterkraft - und darum
auch der nicht mehr temporäre Verlust dieser Arbeit selbst als einer
gesicherten Lebensquelle durch die Konkurrenz den Weltmarkt voraus. Das
Proletariat kann also nur weltgeschichtlich existieren, wie der
Kommunismus, seine Aktion, nur als "weltgeschichtliche" Existenz
überhaupt vorhanden sein kann; weltgeschichtliche Existenz der Individuen; d.h.
Existenz der Individuen, die unmittelbar mit der Weltgeschichte verknüpft ist.
Die durch die auf allen bisherigen geschichtlichen
Stufen vorhandenen Produktionskräfte bedingte und sie wiederum bedingende
Verkehrsform ist die bürgerliche Gesellschaft, die, wie schon aus dem
Vorhergehenden hervorgeht, die einfache Familie und die zusammengesetzte Familie,
das sogenannte Stammwesen zu ihrer Voraussetzung und Grundlage hat, und deren
nähere Bestimmungen im Vorhergehenden enthalten sind. Es zeigt sich schon hier,
daß diese bürgerliche Gesellschaft der wahre Herd und Schauplatz aller
Geschichte ist, und wie widersinnig die bisherige, die wirklichen Verhältnisse
vernachlässigende Geschichtsauffassung mit ihrer Beschränkung auf hochtönende
Haupt- und Staatsaktionen ist. (13)
Die bürgerliche Gesellschaft umfaßt den gesamten
materiellen Verkehr der Individuen innerhalb einer bestimmten Entwicklungsstufe
der Produktivkräfte. Sie umfaßt das gesamte kommerzielle und industrielle Leben
einer Stufe und geht insofern über den Staat und die Nation hinaus, obwohl sie
andrerseits wieder nach Außen hin als Nationalität sich geltend machen, nach
Innen als Staat sich gliedern muß. Das Wort bürgerliche Gesellschaft kam auf im
achtzehnten Jahrhundert, als die Eigentumsverhältnisse bereits aus dem antiken
und mittelalterlichen Gemeinwesen sich herausgearbeitet hatten. Die bürgerliche
Gesellschaft als solche entwickelt sich erst mit der Bourgeoisie; die
unmittelbar aus der Produktion und dem Verkehr sich entwickelnde
gesellschaftliche Organisation, die zu allen Zeiten die Basis des Staats und
der sonstigen idealistischen Superstruktur bildet, ist indes fortwährend mit
demselben Namen bezeichnet worden.
__________
[2.] Über die Produktion des Bewußtseins
<37> In der bisherigen Geschichte ist es allerdings ebensosehr
eine empirische Tatsache, daß die einzelnen Individuen mit der Ausdehnung der
Tätigkeit zur Weltgeschichtlichen immer mehr unter einer ihnen fremden Macht
geknechtet worden sind (welchen Druck sie sich denn auch als Schikane des
sogenannten Weltgeistes etc. vorstellten), einer Macht, die immer massenhafter
geworden ist und sich in letzter Instanz als Weltmarkt ausweist. Aber
ebenso empirisch begründet ist es, daß durch den Umsturz des bestehenden
gesellschaftlichen Zustandes durch die kommunistische Revolution (wovon weiter
unten) und die damit identische Aufhebung des Privateigentums diese den
deutschen Theoretikern so mysteriöse Macht aufgelöst wird und alsdann die
Befreiung jedes einzelnen Individuums in demselben Maße durchgesetzt wird, in
dem die Geschichte sich vollständig in Weltgeschichte verwandelt. Daß der
wirkliche geistige Reichtum des Individuums ganz von dem Reichtum seiner
wirklichen Beziehungen abhängt, ist nach dem Obigen klar. Die einzelnen
Individuen werden erst hierdurch von den verschiedenen nationalen und lokalen
Schranken befreit, mit der Produktion (auch mit der geistigen) der ganzen Welt
in praktische Beziehung gesetzt und in den Stand gesetzt, sich die
Genußfähigkeit für diese allseitige Produktion der ganzen Erde (Schöpfungen der
Menschen) zu erwerben. Die allseitige Abhängigkeit, diese naturwüchsige
Form des weltgeschichtlichen Zusammenwirkens der Individuen, wird durch
diese kommunistische Revolution verwandelt in die Kontrolle und bewußte
Beherrschung dieser Mächte, die, aus dem Aufeinander-Wirken der Menschen
erzeugt, ihnen bisher als durchaus fremde Mächte imponiert und sie beherrscht
haben. Diese Anschauung kann nun wieder spekulativ-idealistisch, d.h.
phantastisch als "Selbsterzeugung der Gattung" (die "Gesellschaft
als Subjekt") gefaßt und dadurch die aufeinanderfolgende Reihe von im
Zusammenhange stehenden Individuen als ein einziges Individuum vorgestellt
werden, das das Mysterium vollzieht, sich selbst zu erzeugen. Es zeigt sich
hier, daß die Individuen allerdings einander machen, physisch und
geistig, aber nicht sich machen, weder im Unsinn des heiligen Bruno, noch im
Sinne des "Einzigen", des "gemachten" Mannes.
Diese Geschichtsauffassung beruht also darauf, den
wirklichen Produktionsprozeß, und zwar von der materiellen Produktion des
unmittelbaren Lebens ausgehend, zu entwickeln und die mit dieser
Produktionsweise zusammenhängende und von ihr erzeugte Verkehrsform, also die
bürgerliche Gesellschaft in ihren verschiedenen Stufen, als Grundlage der
ganzen Geschichte aufzufassen und sie sowohl in ihrer Aktion als Staat
darzustellen, <38> wie die sämtlichen
verschiedenen theoretischen Erzeugnisse und Formen des Bewußtseins, Religion,
Philosophie, Moral etc. etc., aus ihr zu erklären und ihren Entstehungsprozeß
aus ihnen zu verfolgen, wo dann natürlich auch die Sache in ihrer Totalität
(und darum auch die Wechselwirkung dieser verschiednen Seiten aufeinander)
dargestellt werden kann. Sie hat in jeder Periode nicht, wie die idealistische
Geschichtsanschauung, nach einer Kategorie zu suchen, sondern bleibt
fortwährend auf dem wirklichen Geschichtsboden stehen, erklärt nicht die Praxis
aus der Idee, erklärt die Ideenformationen aus der materiellen Praxis und kommt
demgemäß auch zu dem Resultat, daß alle Formen und Produkte des Bewußtseins
nicht durch geistige Kritik, durch Auflösung ins "Selbstbewußtsein"
oder Verwandlung in "Spuk", "Gespenster",
"Sparren" etc., sondern nur durch den praktischen Umsturz der realen
gesellschaftlichen Verhältnisse, aus denen diese idealistischen Flausen
hervorgegangen sind, aufgelöst werden können - daß nicht die Kritik, sondern
die Revolution die treibende Kraft der Geschichte auch der Religion,
Philosophie und sonstigen Theorie ist. Sie zeigt, daß die Geschichte nicht
damit endigt, sich ins "Selbstbewußtsein" als "Geist vom
Geist" aufzulösen, sondern daß in ihr auf jeder Stufe ein materielles
Resultat, eine Summe von Produktionskräften, ein historisch geschaffnes
Verhältnis zur Natur und der Individuen zueinander sich vorfindet, die jeder
Generation von ihrer Vorgängerin überliefert wird, eine Masse von
Produktivkräften, Kapitalien und Umständen, die zwar einerseits von der neuen
Generation modifiziert wird, ihr aber auch andrerseits ihre eignen
Lebensbedingungen vorschreibt und ihr eine bestimmte Entwicklung, einen
speziellen Charakter gibt - daß also die Umstände ebensosehr die Menschen, wie
die Menschen die Umstände machen. Diese Summe von Produktionskräften,
Kapitalien und sozialen Verkehrsformen, die jedes Individuum und jede
Generation als etwas Gegebenes vorfindet, ist der reale Grund dessen, was sich
die Philosophen als "Substanz" und "Wesen des Menschen"
vorgestellt, was sie apotheosiert und bekämpft haben, ein realer Grund, der
dadurch nicht im Mindesten in seinen Wirkungen und Einflüssen auf die
Entwicklung der Menschen gestört wird, daß diese Philosophen als
"Selbstbewußtsein" und "Einzige" dagegen rebellieren. Diese
vorgefundenen Lebensbedingungen der verschiedenen Generationen entscheiden
auch, ob die periodisch in der Geschichte wiederkehrende revolutionäre
Erschütterung stark genug sein wird oder nicht, die Basis alles Bestehenden
umzuwerfen, und wenn diese materiellen Elemente einer totalen Umwälzung,
nämlich einerseits die vorhandnen Produktivkräfte, <39>
andrerseits die Bildung einer revolutionären Masse, die nicht nur gegen
einzelne Bedingungen der bisherigen Gesellschaft, sondern gegen die bisherige
"Lebensproduktion" selbst, die "Gesamttätigkeit'., worauf sie
basierte, revolutioniert - nicht vorhanden sind, so ist es ganz gleichgültig
für die praktische Entwicklung, ob die Idee dieser Umwälzung schon
hundertmal ausgesprochen ist - wie die Geschichte des Kommunismus dies beweist.
Die ganze bisherige Geschichtsauffassung hat diese
wirkliche Basis der Geschichte entweder ganz und gar unberücksichtigt gelassen
oder sie nur als eine Nebensache betrachtet, die mit dem geschichtlichen
Verlauf außer allem Zusammenhang steht. Die Geschichte muß daher immer nach
einem außer ihr liegenden Maßstab geschrieben werden; die wirkliche
Lebensproduktion erscheint als Urgeschichtlich, während das Geschichtliche als
das vom gemeinen Leben Getrennte, Extra-Überweltliche erscheint. Das Verhältnis
der Menschen zur Natur ist hiermit von der Geschichte ausgeschlossen, wodurch
der Gegensatz von Natur und Geschichte erzeugt wird. Sie hat daher in der
Geschichte nur politische Haupt- und Staatsaktionen und religiöse und überhaupt
theoretische Kämpfe sehen können und speziell bei jeder geschichtlichen Epoche die
Illusion dieser Epoche teilen müssen. Z.B. bildet sich eine Epoche ein,
durch rein "politische" oder "religiöse" Motive bestimmt zu
werden, obgleich "Religion" und "Politik" nur Formen ihrer
wirklichen Motive sind, so akzeptiert ihr Geschichtschreiber diese Meinung. Die
"Einbildung", die "Vorstellung" dieser bestimmten Menschen
über ihre wirkliche Praxis wird in die einzig bestimmende und aktive Macht
verwandelt, welche die Praxis dieser Menschen beherrscht und bestimmt. Wenn die
rohe Form, in der die Teilung der Arbeit bei den Indern und Ägyptern vorkommt, das
Kastenwesen bei diesen Völkern in ihrem Staat und ihrer Religion hervorruft, so
glaubt der Historiker, das Kastenwesen sei die Macht, welche diese rohe
gesellschaftliche Form erzeugt habe. Während die Franzosen und Engländer
wenigstens an der politischen Illusion, die der Wirklichkeit noch am nächsten
steht, halten, bewegen sich die Deutschen im Gebiete des "reinen
Geistes" und machen die religiöse Illusion zur treibenden Kraft der
Geschichte. Die Hegelsche Geschichtsphilosophie ist die letzte, auf ihren "reinsten
Ausdruck" gebrachte Konsequenz dieser gesamten Deutschen
Geschichtschreibung, in der es sich nicht um wirkliche, nicht einmal um
politische Interessen, sondern um reine Gedanken handelt, die dann auch dem
heiligen Bruno als eine Reihe von "Gedanken" erscheinen muß, von
denen einer den andren auffrißt und in dem "Selbstbewußtsein"
schließlich untergeht, und noch konsequenter dem heiligen Max Stirner, der von
der ganzen wirklichen Geschichte nichts weiß, dieser historische Verlauf als
eine bloße "Ritter"-, <40> Räuber- und
Gespenstergeschichte erscheinen mußte, vor deren Visionen er sich natürlich nur
durch die "Heillosigkeit" zu retten weiß (14).
Diese Auffassung ist wirklich religiös, sie unterstellt den religiösen Menschen
als den Urmenschen, von dem alle Geschichte ausgeht, und setzt in ihrer
Einbildung die religiöse Phantasien-Produktion an die Stelle der wirklichen
Produktion der Lebensmittel und des Lebens selbst. Diese ganze Geschichtsauffassung
samt ihrer Auflösung und den daraus entstehenden Skrupeln und Bedenken ist eine
bloß nationale Angelegenheit der Deutschen und hat nur lokales Interesse
für Deutschland, wie zum Exempel die wichtige, neuerdings mehrfach behandelte
Frage: wie man denn eigentlich "aus dem Gottesreich in das Menschenreich
komme", als ob dieses "Gottesreich" je anderswo existiert habe
als in der Einbildung und die gelahrten Herren nicht fortwährend, ohne es zu
wissen, in dem "Menschenreich" lebten, zu welchem sie jetzt den Weg
suchen, und als ob das wissenschaftliche Amüsement, denn mehr als das ist es
nicht, das Kuriosum dieser theoretischen Wolkenbildung zu erklären, nicht
gerade umgekehrt darin läge, daß man ihre Entstehung aus den wirklichen
irdischen Verhältnissen nachweist. Überhaupt handelt es sich bei diesen
Deutschen stets darum, den vorgefundenen Unsinn in irgendeine andre Marotte
aufzulösen, d.h. vorauszusetzen, daß dieser ganze Unsinn überhaupt einen
aparten Sinn habe, der herauszufinden sei, während es sich nur darum
handelt, diese theoretischen Phrasen aus den bestehenden wirklichen
Verhältnissen zu erklären. Die wirkliche, praktische Auflösung dieser Phrasen,
die Beseitigung dieser Vorstellungen aus dem Bewußtsein der Menschen wird, wie
schon gesagt, durch veränderte Umstände, nicht durch theoretische Deduktionen
bewerkstelligt. Für die Masse der Menschen, d.h. das Proletariat, existieren
diese theoretischen Vorstellungen nicht, brauchen also für sie auch nicht
aufgelöst zu werden, und wenn diese Masse je einige theoretische Vorstellungen,
z.B. Religion hatte, so sind diese jetzt schon längst durch die Umstände
aufgelöst.
Das rein Nationale dieser Fragen und Lösungen
zeigt sich auch noch darin, daß diese Theoretiker alles Ernstes glauben,
Hirngespinste wie "der Gottmensch", "der Mensch" etc.
hätten den einzelnen Epochen der Geschichte präsidiert - der heilige Bruno geht
sogar soweit, zu behaupten, nur "die Kritik und die Kritiker hätten die
Geschichte gemacht" - und, wenn sie sich selbst an geschichtliche
Konstruktionen geben, über alles Frühere in der größten Eile <41>
hinwegspringen und vom "Mongolentum" sogleich auf die eigentliche
"inhaltsvolle Geschichte, nämlich die Geschichte der
"Hallischen" und "Deutschen Jahrbücher" und der Auflösung
der Hegelschen Schule in eine allgemeine Zänkerei übergehen. Alle andern
Nationen, alle wirklichen Ereignisse werden vergessen, das Theatrum mundi
<Welttheater> beschränkt sich auf die Leipziger Büchermesse und die
gegenseitigen Streitigkeiten der "Kritik", des "Menschen"
und des Einzigen". Wenn sich die Theorie vielleicht einmal daran gibt,
wirklich historisch Themata zu behandeln, wie z.B. das achtzehnte Jahrhundert,
so geben sie nur die Geschichte der Vorstellungen, losgerissen von den Tatsachen
und praktischen Entwicklungen, die ihnen zum Grunde liegen, und auch diese nur
in der Absicht, um diese Zeit als eine unvollkommene Vorstufe, als den noch
bornierten Vorläufer der wahren geschichtlichen Zeit, d.h. der Zeit des
deutschen Philosophenkampfes von 1840/44 darzustellen. Diesem Zwecke, eine
frühere Geschichte zu schreiben, um den Ruhm einer ungeschichtlichen Person und
ihrer Phantasien desto heller leuchten zu lassen, entspricht es denn, daß man
alle wirklich historischen Ereignisse, selbst die wirklich historischen
Eingriffe der Politik in die Geschichte, nicht erwähnt und dafür eine nicht auf
Studien, sondern Konstruktionen und literarischen Klatschgeschichten beruhende
Erzählung gibt - wie dies vom heiligen Bruno in seiner nun vergessenen
"Geschichte des l8ten Jahrhunderts" geschehen ist. Diese
hochtrabenden und hochfahrenden Gedankenkrämer, die unendlich weit über alle
nationalen Vorurteile erhaben zu sein glauben, sind also in der Praxis noch
viel nationaler als die Bierphilister, die von Deutschlands Einheit träumen.
Sie erkennen die Taten andrer Völker gar nicht für historisch an, sie leben in
Deutschland zu Deutschland und für Deutschland, sie verwandeln das Rheinlied in
ein geistliches Lied und erobern Elsaß und Lothringen, indem sie statt des
französischen Staats die französische Philosophie bestehlen, statt
französischer Provinzen französische Gedanken germanisieren. Herr Venedey ist
ein Kosmopolit gegen die Heiligen Bruno und Max, die in der Weltherrschaft der
Theorie die Weltherrschaft Deutschlands proklamieren.
Es zeigt sich aus diesen Auseinandersetzungen
auch, wie sehr Feuerbach sich täuscht, wenn er ("Wigand's
Vierteljahrsschrift", 1845, Bd. 2) sich vermöge der Qualifikation
"Gemeinmensch" für einen Kommunisten erklärt, in ein Prädikat "des"
Menschen verwandelt, also das Wort Kommunist, das in der bestehenden Welt
den Anhänger einer bestimmten revolutionären Partei bezeichnet, wieder in eine
bloße Kategorie verwandeln zu können glaubt. <42>
Feuerbachs ganze Deduktion in Beziehung auf das Verhältnis der Menschen
zueinander geht nur dahin, zu beweisen, daß die Menschen einander nötig haben
und immer gehabt haben. Er will das Bewußtsein über diese Tatsache
etablieren, er will also, wie die übrigen Theoretiker, nur ein richtiges
Bewußtsein über ein bestehendes Faktum hervorbringen, während es dem
wirklichen Kommunisten darauf ankommt, dies Bestehende umzustürzen. Wir
erkennen es übrigens vollständig an, daß Feuerbach, indem er das Bewußtsein
gerade dieser Tatsache zu erzeugen strebt, so weit geht, wie ein Theoretiker
überhaupt gehen kann, ohne aufzuhören, Theoretiker und Philosoph zu sein.
Charakteristisch ist es aber, daß die Heiligen Bruno und Max die Vorstellung
Feuerbachs vom Kommunisten sogleich an die Stelle des wirklichen Kommunisten
setzen, was teilweise schon deswegen geschieht, damit sie auch den Kommunismus
als "Geist vom Geist", als philosophische Kategorie, als ebenbürtigen
Gegner bekämpfen können - und von seiten des heiligen Bruno auch noch aus
pragmatischen Interessen. Als Beispiel von der Anerkennung und zugleich
Verkennung des Bestehenden, die Feuerbach noch immer mit unsern Gegnern teilt,
erinnern wir an die Stelle der "Philosophie der Zukunft", wo er
entwickelt, daß das Sein eines Dinges oder Menschen zugleich sein Wesen sei, daß
die bestimmten Existenzverhältnisse, Lebensweise und Tätigkeit eines tierischen
oder menschlichen Individuums dasjenige sei, worin sein "Wesen" sich
befriedigt fühle. Hier wird ausdrücklich jede Ausnahme als ein unglücklicher
Zufall, als eine Abnormität, die nicht zu ändern ist, aufgefaßt. Wenn also
Millionen von Proletariern sich in ihren Lebensverhältnissen keineswegs
befriedigt fühlen, wenn ihr "Sein" ihrem [...] <Im Manuskript
befindet sich hier eine Lücke>
[...] sich in Wirklichkeit und für den praktischen
Materialisten, d.h. Kommunisten, darum handelt, die bestehende Welt
zu revolutionieren, die vorgefundnen Dinge praktisch anzugreifen und zu
verändern. Wenn bei Feuerbach sich zuweilen derartige Anschauungen finden, so
gehen sie doch nie über vereinzelte Ahnungen hinaus und haben auf seine
allgemeine Anschauungsweise viel zuwenig Einfluß, als daß sie hier anders denn
als entwicklungsfähige Keime in Betracht kommen könnten. Feuerbachs
"Auffassung" der sinnlichen Welt beschränkt sich einerseits auf die
bloße Anschauung derselben und andrerseits auf die bloße Empfindung, er sagt
"den Menschen" statt d[ie] "wirklichen historischen
Menschen". "Der Mensch" ist realiter <in
Wirklichkeit> "der Deutsche". Im ersten Falle, in der Anschauung
der sinnlichen Welt, stößt er notwendig auf Dinge, die seinem Bewußtsein
und seinem Gefühl widersprechen, die die von ihm vorausgesetzte Harmonie aller
Teile der sinnlichen <43> Welt und namentlich des
Menschen mit der Natur stören (15).
Um diese zu beseitigen, muß er dann zu einer doppelten Anschauung seine
Zuflucht nehmen, zwischen einer profanen, die nur das "auf platter Hand
Liegende", und einer höheren, philosophischen, die das "wahre
Wesen" der Dinge erschaut. Er sieht nicht, wie die ihn umgehende sinnliche
Welt nicht ein unmittelbar von Ewigkeit her gegebenes, sich stets gleiches Ding
ist, sondern das Produkt der Industrie und des Gesellschaftszustandes, und zwar
in dem Sinne, daß sie ein geschichtliches Produkt ist, das Resultat der
Tätigkeit einer ganzen Reihe von Generationen, deren Jede auf den Schultern der
vorhergehenden stand, ihre Industrie und ihren Verkehr weiter ausbildete, ihre
soziale Ordnung nach den veränderten Bedürfnissen modifizierte. Selbst die Gegenstände
der einfachsten "sinnlichen Gewißheit" sind ihm nur durch die
gesellschaftliche Entwicklung, die Industrie und den kommerziellen Verkehr
gegeben. Der Kirschbaum ist, wie fast alle Obstbäume, bekanntlich erst vor
wenig Jahrhunderten durch den Handel in unsre Zone verpflanzt worden und
wurde deshalb erst durch diese Aktion einer bestimmten Gesellschaft in
einer bestimmten Zeit der "sinnlichen Gewißheit" Feuerbachs gegeben.
Übrigens löst sich in dieser Auffassung der Dinge,
wie sie wirklich sind und geschehen sind, wie sich weiter unten noch deutlicher
zeigen wird, jedes tiefsinnige philosophische Problem ganz einfach in ein
empirisches Faktum auf. Z.B. die wichtige Frage über das Verhältnis des
Menschen zur Natur (oder gar, wie Bruno sagt (p. 110), die "Gegensätze in
Natur und Geschichte", als ob das zwei voneinander getrennte
"Dinge" seien, der Mensch nicht immer eine geschichtliche Natur und
eine natürliche Geschichte vor sich habe), aus der alle die "unergründlich
hohen Werke" über "Substanz" und "Selbstbewußtsein"
hervorgegangen sind, zerfällt von selbst in der Einsicht, daß die vielberühmte
"Einheit des Menschen mit der Natur" in der Industrie von jeher
bestanden und in jeder Epoche je nach der geringeren oder größeren Entwicklung der
Industrie anders bestanden hat, ebenso wie der "Kampf" des Menschen
mit der Natur, bis zur Entwicklung seiner Produktivkräfte auf einer
entsprechenden Basis. Die Industrie und der Handel, die Produktion und der
Austausch der Lebensbedürfnisse bedingen ihrerseits und werden wiederum in der
Art ihres Betriebes bedingt durch die <44>
Distribution, die Gliederung der verschiedenen gesellschaftlichen Klassen - und
so kommt es denn, daß Feuerbach in Manchester z.B. nur Fabriken und Maschinen
sieht, wo vor hundert Jahren nur Spinnräder und Webstühle zu sehen waren, oder
in der Campagna di Roma nur Viehweiden und Sümpfe entdeckt, wo er zur Zeit des
Augustus nichts als Weingärten und Villen römischer Kapitalisten gefunden
hätte. Feuerbach spricht namentlich von der Anschauung der Naturwissenschaft,
er erwähnt Geheimnisse, die nur dem Auge des Physikers und Chemikers offenbar
werden; aber wo wäre ohne Industrie und Handel die Naturwissenschaft? Selbst
diese "reine" Naturwissenschaft erhält ja ihren Zweck sowohl wie ihr Material
erst durch Handel und Industrie, durch sinnliche Tätigkeit der Menschen. So
sehr ist diese Tätigkeit, dieses fortwährende sinnliche Arbeiten und Schaffen,
diese Produktion die Grundlage der ganzen sinnlichen Welt, wie sie jetzt
existiert, daß, wenn sie auch nur für ein Jahr unterbrochen würde, Feuerbach
eine ungeheure Veränderung nicht nur in der natürlichen Welt vorfinden, sondern
auch die ganze Menschenwelt und sein eignes Anschauungsvermögen, ja seine Eigne
Existenz sehr bald vermissen würde. Allerdings bleibt dabei die Priorität der
äußeren Natur bestehen, und allerdings hat dies Alles keine Anwendung auf die
ursprünglichen, durch generatio aequivoca <Urzeugung> erzeugten Menschen;
aber diese Unterscheidung hat nur insofern Sinn, als man den Menschen als von
der Natur unterschieden betrachtet. Übrigens ist diese der menschlichen
Geschichte vorhergehende Natur ja nicht die Natur, in der Feuerbach lebt, nicht
die Natur, die heutzutage, ausgenommen etwa auf einzelnen australischen
Koralleninseln neueren Ursprungs, nirgends mehr existiert, also auch für
Feuerbach nicht existiert.
Feuerbach hat allerdings den großen Vorzug vor den
"reinen" Materialisten, daß er einsieht, wie auch der Mensch
"sinnlicher Gegenstand" ist; aber abgesehen davon, daß er ihn nur als
"sinnlichen Gegenstand", nicht als "sinnliche Tätigkeit"
faßt, da er sich auch hierbei in der Theorie hält, die Menschen nicht in ihrem
gegebenen gesellschaftlichen Zusammenhange, nicht unter ihren vorliegenden
Lebensbedingungen, die sie zu Dem gemacht haben, was sie sind, auffaßt, so
kommt er nie zu den wirklich existierenden, tätigen Menschen, sondern bleibt
bei dem Abstraktum "der Mensch" stehen und bringt es nur dahin, den
"wirklichen, individuellen, leibhaftigen Menschen" in der Empfindung
anzuerkennen, d.h., er kennt keine andern "menschlichen Verhältnisse"
"des Menschen zum Menschen", als Liebe und Freundschaft, und zwar
idealisiert. Gibt keine Kritik der jetzigen Lebensverhältnisse. Er kommt <45> also nie dazu, die sinnliche Welt als die
gesamte lebendige sinnliche Tätigkeit der sie ausmachenden Individuen
aufzufassen, und ist daher gezwungen, wenn er z.B. statt gesunder Menschen
einen Haufen skrofulöser, überarbeiteter und schwindsüchtiger Hungerleider
sieht, da zu der "höheren Anschauung" und zur ideellen
"Ausgleichung in der Gattung" seine Zuflucht zu nehmen, also gerade
da in den Idealismus zurückzufallen, wo der kommunistische Materialist die
Notwendigkeit und zugleich die Bedingung einer Umgestaltung sowohl der
Industrie wie der gesellschaftlichen Gliederung sieht.
Soweit Feuerbach Materialist ist, kommt die
Geschichte bei ihm nicht vor, und soweit er die Geschichte in Betracht zieht,
ist er kein Materialist. Bei ihm fallen Materialismus und Geschichte ganz
auseinander, was sich übrigens schon aus dem Gesagten erklärt.(16)
Die Geschichte ist nichts als die Aufeinanderfolge
der einzelnen Generationen, von denen Jede die ihr von allen vorhergegangenen
übermachten Materiale, Kapitalien, Produkionskräfte exploitiert, daher also
einerseits unter ganz veränderten Umständen die überkommene Tätigkeit fortsetzt
und andrerseits mit einer ganz veränderten Tätigkeit die alten Umstände
modifiziert, was sich nun spekulativ so verdrehen läßt, daß die spätere
Geschichte zum Zweck der früheren gemacht wird, z.B., daß der Entdeckung
Amerikas der Zweck zugrunde gelegt wird, der französischen Revolution zum
Durchbruch zu verhelfen, wodurch dann die Geschichte ihre aparten Zwecke erhält
und eine "Person neben anderen Personen" (als da sind:
"Selbstbewußtsein, Kritik, Einziger" etc.) wird, während das, was man
mit den Worten "Bestimmung", "Zweck", "Keim",
"Idee" der früheren Geschichte bezeichnet, weiter nichts ist als eine
Abstraktion von der späteren Geschichte, eine Abstraktion von dem aktiven
Einfluß, den die frühere Geschichte auf die spätere ausübt.
Je weiter sich im Laufe dieser Entwicklung nun die
einzelnen Kreise, die aufeinander einwirken, ausdehnen, je mehr die
ursprüngliche Abgeschlossenheit der einzelnen Nationalitäten durch die
ausgebildete Produktionsweise, Verkehr und dadurch naturwüchsig hervorgebrachte
Teilung der Arbeit zwischen verschiednen Nationen vernichtet wird, desto mehr
wird die Geschichte zur Weltgeschichte, so daß z.B., wenn in England eine
Maschine er- <46> funden wird, die in Indien und
China zahllose Arbeiter außer Brot setzt und die ganze Existenzform dieser
Reiche umwälzt, diese Erfindung zu einem weltgeschichtlichen Faktum wird; oder
daß der Zucker und Kaffee ihre weltgeschichtliche Bedeutung im neunzehnten
Jahrhundert dadurch bewiesen, daß der durch das napoleonische Kontinentalsystem
erzeugte Mangel an diesen Produkten die Deutschen zum Aufstande gegen Napoleon
brachte und so die reale Basis der glorreichen Befreiungskriege von 1813 wurde.
Hieraus folgt, daß diese Umwandlung der Geschichte in Weltgeschichte nicht etwa
eine bloße abstrakte Tat des "Selbstbewußtseins", Weltgeistes oder
sonst eines metaphysischen Gespenstes ist, sondern eine ganz materielle,
empirisch nachweisbare Tat, eine Tat, zu der jedes Individuum, wie es geht und
steht, ißt, trinkt und sich kleidet, den Beweis liefert.
Die Gedanken der herrschenden Klasse sind in jeder
Epoche die herrschenden Gedanken, d.h. die Klasse, welche die herrschende materielle
Macht der Gesellschaft ist, ist zugleich ihre herrschende geistige Macht.
Die Klasse, die die Mittel zur materiellen Produktion zu ihrer Verfügung hat,
disponiert damit zugleich über die Mittel zur geistigen Produktion, so daß ihr
damit zugleich im Durchschnitt die Gedanken derer, denen die Mittel zur
geistigen Produktion abgehen, unterworfen sind. Die herrschenden Gedanken sind
weiter Nichts als der ideelle Ausdruck der herrschenden materiellen
Verhältnisse, die als Gedanken gefaßten herrschenden materiellen Verhältnisse;
also der Verhältnisse, die eben die eine Klasse zur herrschenden machen, also
die Gedanken ihrer Herrschaft. Die Individuen, welche die herrschende Klasse
ausmachen, haben unter Anderm auch Bewußtsein und denken daher; insofern sie
also als Klasse herrschen und den ganzen Umfang einer Geschichtsepoche
bestimmen, versteht es sich von selbst, daß sie dies in ihrer ganzen Ausdehnung
tun, also unter Andern auch als Denkende, als Produzenten von Gedanken
herrschen, die Produktion und Distribution der Gedanken ihrer Zeit regeln; daß
also ihre Gedanken die herrschenden Gedanken der Epoche sind. Zu einer Zeit
z.B. und in einem Lande, wo königliche Macht, Aristokratie und Bourgeoisie sich
um die Herrschaft streiten, wo also die Herrschaft geteilt ist, zeigt sich als
herrschender Gedanke die Doktrin von der Teilung der Gewalten, die nun als ein
"ewiges Gesetz ausgesprochen wird.
Die Teilung der Arbeit, die wir schon oben (p.
[31-33]) als eine der Hauptmächte der bisherigen Geschichte
vorfanden, äußert sich nun auch in der herrschenden Klasse als Teilung der
geistigen und materiellen Arbeit, so daß innerhalb dieser Klasse der eine Teil
als die Denker dieser Klasse auftritt (die aktiven konzeptiven Ideologen
derselben, welche die Ausbildung der Illusion dieser Klasse über sich selbst zu
ihrem Hauptnahrungszweige machen), <47> während
die Andern sich zu diesen Gedanken und Illusionen mehr passiv und rezeptiv
verhalten, weil sie in der Wirklichkeit die aktiven Mitglieder dieser Klasse
sind und weniger Zeit dazu haben, sich Illusionen und Gedanken über sich selbst
zu machen. Innerhalb dieser Klasse kann diese Spaltung derselben sich sogar zu
einer gewissen Entgegensetzung und Feindschaft beider Teile entwickeln, die
aber bei jeder praktischen Kollision, wo die Klasse selbst gefährdet ist, von
selbst wegfällt, wo denn auch der Schein verschwindet, als wenn die
herrschenden Gedanken nicht die Gedanken der herrschenden Klasse wären und eine
von der Macht dieser Klasse unterschiedene Macht hätten. Die Existenz
revolutionärer Gedanken in einer bestimmten Epoche setzt bereits die Existenz
einer revolutionären Klasse voraus, über deren Voraussetzungen bereits oben (p.
[33-36]) das Nötige gesagt ist.
Löst man nun bei der Auffassung des
geschichtlichen Verlaufs die Gedanken der herrschenden Klasse von der
herrschenden Klasse los, verselbständigt man sie, bleibt dabei stehen, daß in
einer Epoche diese und jene Gedanken geherrscht haben, ohne sich um die
Bedingungen der Produktion und um die Produzenten dieser Gedanken zu bekümmern,
läßt man also die den Gedanken zugrunde liegenden Individuen und Weltzustände
weg, so kann man z.B. sagen, daß während der Zeit, in der die Aristokratie
herrschte, die Begriffe Ehre, Treue etc., während der Herrschaft der
Bourgeoisie die Begriffe Freiheit, Gleichheit etc. herrschten (17).
Die herrschende Klasse selbst bildet sich dies im Durchschnitt ein. Diese
Geschichtsauffassung, die allen Geschichtschreibern vorzugsweise seit dem
achtzehnten Jahrhundert gemeinsam ist, wird notwendig auf das Phänomen stoßen,
daß immer abstraktere Gedanken herrschen, d.h. Gedanken, die immer mehr die
Form der Allgemeinheit annehmen. Jede neue Klasse nämlich, die sich an die
Stelle einer vor ihr herrschenden setzt, ist genötigt, schon um ihren Zweck
durchzuführen, ihr Interesse als das gemeinschaftliche Interesse aller Mitglieder
der Gesellschaft darzustellen, d.h. ideell ausgedrückt: ihren Gedanken die Form
der Allgemeinheit zu geben, sie als die einzig vernünftigen, allgemein gültigen
darzustellen. Die revolutionierende Klasse tritt von vornherein, schon weil sie
einer Klasse gegenübersteht, nicht als Klasse, sondern als Vertreterin
der ganzen Gesellschaft auf, sie erscheint als die ganze Masse der Gesellschaft
<48> gegenüber der einzigen, herrschenden Klasse (18). Sie kann dies, weil im Anfange ihr
Interesse wirklich noch mehr mit dem gemeinschaftlichen Interesse aller übrigen
nichtherrschenden Klassen zusammenhängt, sich unter dem Druck der bisherigen
Verhältnisse noch nicht als besonderes Interesse einer besonderen Klasse
entwickeln konnte. Ihr Sieg nutzt daher auch vielen Individuen der übrigen,
nicht zur Herrschaft kommenden Klassen, aber nur insofern, als er diese
Individuen jetzt in den Stand setzt, sich in die herrschende Klasse zu erheben.
Als die französische Bourgeoisie die Herrschaft der Aristokratie stürzte,
machte sie es dadurch vielen Proletariern möglich, sich über das Proletariat zu
erheben, aber nur, insofern sie Bourgeois wurden. Jede neue Klasse bringt daher
nur auf einer breiteren Basis als die der bisher herrschenden ihre Herrschaft
zustande, wogegen sich dann später auch der Gegensatz der nichtherrschenden
gegen die nun herrschende Klasse um so schärfer und tiefer entwickelt. Durch
Beides ist bedingt, daß der gegen diese neue herrschende Klasse zu führende
Kampf wiederum auf eine entschiedenere, radikalere Negation der bisherigen
Gesellschaftszustände hinarbeitet, als alle bisherigen die Herrschaft
anstrebenden Klassen dies tun konnten.
Dieser ganze Schein, als ob die Herrschaft einer
bestimmten Klasse nur die Herrschaft gewisser Gedanken sei, hört natürlich von
selbst auf, sobald die Herrschaft von Klassen überhaupt aufhört, die Form der
gesellschaftlichen Ordnung zu sein, sobald es also nicht mehr nötig ist, ein
besonderes Interesse als allgemeines oder "das Allgemeine" als
herrschend darzustellen.
Nachdem einmal die herrschenden Gedanken von den
herrschenden Individuen und vor allem von den Verhältnissen, die aus einer
gegebnen Stufe der Produktionsweise hervorgehn, getrennt sind und dadurch das
Resultat zustande gekommen ist, daß in der Geschichte stets Gedanken herrschen,
ist es sehr leicht, aus diesen verschiedenen Gedanken sich "den Gedanken",
die Idee etc. als das in der Geschichte Herrschende zu abstrahieren und damit
alle diese einzelnen Gedanken und Begriffe als "Selbstbestimmungen" des
sich in der Geschichte entwickelnden Begriffs zu fassen. Es ist dann auch
natürlich, daß alle Verhältnisse der Menschen aus dem Begriff des Menschen, dem
vorgestellten Menschen, dem Wesen des Menschen, dem Menschen abgeleitet
werden können. Dies hat die spekulative Philosophie getan. Hegel gesteht selbst
am Ende der "Geschichtsphilosophie", daß er "den Fortgang <49> des Begriffs allein
betrachtet" und in der Geschichte die "wahrhafte Theodizee"
dargestellt habe (p. 446). Man kann nun wieder auf die Produzenten "des
Begriffs" zurückgehen, auf die Theoretiker, Ideologen und Philosophen, und
kommt dann zu dem Resultate, daß die Philosophen, die Denkenden als solche, von
jeher in der Geschichte geherrscht haben - ein Resultat, was, wie wir sehen,
auch schon von Hegel ausgesprochen wurde. Das ganze Kunststück also, in der
Geschichte die Oberherrlichkeit des Geistes (Hierarchie bei Stirner)
nachzuweisen, beschränkt sich auf folgende drei Efforts.
Nr. 1. Man muß die Gedanken der aus empirischen
Gründen, unter empirischen Bedingungen und als materielle Individuen
Herrschenden von diesen Herrschenden trennen und somit die Herrschaft von
Gedanken oder Illusionen in der Geschichte anerkennen.
Nr. 2. Man muß in diese Gedankenherrschaft eine
Ordnung bringen, einen mystischen Zusammenhang unter den aufeinanderfolgenden
herrschenden Gedanken nachweisen, was dadurch zustande gebracht wird, daß man
sie als "Selbstbestimmungen des Begriffs" faßt (dies ist deshalb
möglich, weil diese Gedanken vermittelst ihrer empirischen Grundlage wirklich
miteinander zusammenhängen und weil sie als bloße Gedanken gefaßt zu
Selbstunterscheidungen, vom Denken gemachten Unterschieden, werden).
Nr. 3 . Um das mystische Aussehen dieses
"sich selbst bestimmenden Begriffs" zu beseitigen, verwandelt man ihn
in eine Person - "das Selbstbewußtsein" - oder, um recht
materialistisch zu erscheinen, in eine Reihe von Personen, die "den
Begriff" in der Geschichte repräsentieren, in "die Denkenden",
die "Philosophen" die Ideologen, die nun wieder als die Fabrikanten
der Geschichte, als "der Rat der Wächter", als die Herrschenden
gefaßt werden (19).
Hiermit hat man sämtliche materialistischen Elemente aus der Geschichte
beseitigt und kann nun seinem spekulativen Roß ruhig die Zügel schießen lassen.
Während im gewöhnlichen Leben jeder Shopkeeper
<Krämer> sehr wohl zwischen Dem zu unterscheiden weiß, was Jemand zu sein
vorgibt, und dem, was er wirklich ist, so ist unsre Geschichtschreibung noch
nicht zu dieser trivialen Erkenntnis gekommen. Sie glaubt jeder Epoche aufs
Wort, was sie von sich selbst sagt und sich einbildet.
Es muß diese Geschichtsmethode, die in
Deutschland, und warum vorzüglich, herrschte, entwickelt werden aus dem
Zusammenhang mit der Illusion der Ideologen überhaupt, z.B. den Illusionen der
Juristen, Politiker <50> (auch der praktischen
Staatsmänner darunter), aus den dogmatischen Träumereien und Verdrehungen
dieser Kerls, die sich ganz einfach erklärt aus ihrer praktischen
Lebensstellung, ihrem Geschäft und der Teilung der Arbeit.
[B. Die wirkliche Basis der Ideologie]
[1.]
Verkehr und Produktivkraft
Die größte Teilung der materiellen und geistigen
Arbeit ist die Trennung von Stadt und Land. Der Gegensatz zwischen Stadt und
Land fängt an mit dem Übergange aus der Barbarei in die Zivilisation, aus dem
Stammwesen in den Staat, aus der Lokalität in die Nation, und zieht sich durch
die ganze Geschichte der Zivilisation bis auf den heutigen Tag (die
Anti-Corn-Law League) hindurch. - Mit der Stadt ist zugleich die Notwendigkeit
der Administration, der Polizei, der Steuern usw., kurz des Gemeindewesens und
damit der Politik überhaupt gegeben. Hier zeigte sich zuerst die Teilung der Bevölkerung
in zwei große Klassen, die direkt auf der Teilung der Arbeit und den
Produktionsinstrumenten beruht. Die Stadt ist bereits die Tatsache der
Konzentration der Bevölkerung, der Produktionsinstrumente, des Kapitals, der
Genüsse, der Bedürfnisse, während das Land gerade die entgegengesetzte
Tatsache, die Isolierung und Vereinzelung, zur Anschauung bringt. Der Gegensatz
zwischen Stadt und Land kann nur innerhalb des Privateigentums existieren. Er
ist der krasseste Ausdruck der Subsumtion des Individuums unter die Teilung der
Arbeit, unter eine bestimmte, ihm aufgezwungene Tätigkeit, eine Subsumtion, die
den Einen zum bornierten Stadttier, den Andern zum bornierten Landtier macht
und den Gegensatz der Interessen Beider täglich neu erzeugt. Die Arbeit ist
hier wieder die Hauptsache, die Macht über den Individuen, und solange
diese existiert, solange muß das Privateigentum existieren. Die Aufhebung des
Gegensatzes von Stadt und Land ist eine der ersten Bedingungen der
Gemeinschaft, eine Bedingung, die wieder von einer Masse materieller
Voraussetzungen abhängt und die der bloße Wille nicht erfüllen kann, wie Jeder
auf den ersten Blick sieht. (Diese Bedingungen müssen noch entwickelt werden.)
Die Trennung von Stadt und Land kann auch gefaßt werden als die Trennung von
Kapital und Grundeigentum, als der Anfang einer vom Grundeigentum unabhängigen
Existenz und Entwicklung des Kapitals, eines Eigentums, das bloß in der
Arbeit und im Austausch seine Basis hat.
In den Städten, welche im Mittelalter nicht aus
der früheren Geschichte fertig überliefert waren, sondern sich neu aus den
freigewordnen Leibeignen <51> bildeten, war die
besondre Arbeit eines Jeden sein einziges Eigentum außer dem kleinen, fast nur
im nötigsten Handwerkszeug bestehenden Kapital, das er mitbrachte. Die
Konkurrenz der fortwährend in die Stadt kommenden entlaufenen Leibeigenen, der
fortwährende Krieg des Landes gegen die Städte und damit die Notwendigkeit
einer organisierten städtischen Kriegsmacht, das Band des gemeinsamen Eigentums
an einer bestimmten Arbeit, die Notwendigkeit gemeinsamer Gebäude zum Verkauf
ihrer Waren zu einer Zeit, wo die Handwerker zugleich commerçants
<Kaufleute>, und die damit gegebene Ausschließung Unberufener von diesen
Gebäuden, der Gegensatz der Interessen der einzelnen Handwerke unter sich, die
Notwendigkeit eines Schutzes der mit Mühe erlernten Arbeit und die feudale
Organisation des ganzen Landes waren die Ursachen der Vereinigung der Arbeiter
eines jeden Handwerks in Zünften. Wir haben hier auf die vielfachen Modifikationen
des Zunftwesens, die durch spätere historische Entwicklungen hereinkommen,
nicht weiter einzugehen. Die Flucht der Leibeignen in die Städte fand während
des ganzen Mittelalters ununterbrochen statt. Diese Leibeignen, auf dem Lande
von ihren Herren verfolgt, kamen einzeln in die Städte, wo sie eine
organisierte Gemeinde vorfanden, gegen die sie machtlos waren und worin sie
sich der Stellung unterwerfen mußten, die ihnen das Bedürfnis nach ihrer Arbeit
und das Interesse ihrer organisierten städtischen Konkurrenten anwies. Diese
einzeln hereinkommenden Arbeiter konnten es nie zu einer Macht bringen, da,
wenn ihre Arbeit eine zunftmäßige war, die erlernt werden mußte, die
Zunftmeister sie sich unterwarfen und nach ihrem Interesse organisierten, oder,
wenn ihre Arbeit nicht erlernt werden mußte, daher keine zunftmäßige, sondern
Taglöhnerarbeit war, nie zu einer Organisation kamen, sondern unorganisierter
Pöbel blieben. Die Notwendigkeit der Taglöhnerarbeit in den Städten schuf den
Pöbel.
Diese Städte waren wahre "Vereine",
hervorgerufen durch das unmittelbare Bedürfnis, die Sorge um den Schutz des
Eigentums, und um die Produktionsmittel und Verteidigungsmittel der einzelnen
Mitglieder zu multiplizieren. Der Pöbel dieser Städte war dadurch, daß er aus
einander fremden, vereinzelt hereingekommenen Individuen bestand, die einer
organisierten, kriegsmäßig gerüsteten, sie eifersüchtig überwachenden Macht
unorganisiert gegenüberstanden, aller Macht beraubt. Die Gesellen und Lehrlinge
waren in jedem Handwerk so organisiert, wie es dem Interesse der Meister am
besten entsprach; das patriarchalische Verhältnis, in dem sie zu ihren Meistern
standen, gab diesen eine doppelte Macht, einerseits in ihrem direkten Einfluß <52> auf das ganze Leben der Gesellen und dann, weil
es für die Gesellen, die bei demselben Meister arbeiteten, ein wirkliches Band
war, das sie gegenüber den Gesellen der übrigen Meister zusammenhielt und sie
von diesen trennte; und endlich waren die Gesellen schon durch das Interesse,
das sie hatten, selbst Meister zu werden, an die bestehende Ordnung geknüpft.
Während daher der Pöbel es wenigstens zu Emeuten gegen die ganze städtische
Ordnung brachte, die indes bei seiner Machtlosigkeit ohne alle Wirkung blieben,
kamen die Gesellen nur zu kleinen Widersetzlichkeiten innerhalb einzelner
Zünfte, wie sie zur Existenz des Zunftwesens selbst gehören. Die großen
Aufstände des Mittelalters gingen alle vom Lande aus, blieben aber ebenfalls
wegen der Zersplitterung und der daraus folgenden Roheit der Bauern total erfolglos.
Die Teilung der Arbeit war in den Städten zwischen
den einzelnen Zünften noch [ganz naturwüchsig] und in den Zünften selbst
zwischen den einzelnen Arbeitern gar nicht durchgeführt. Jeder Arbeiter mußte
in einem ganzen Kreise von Arbeiten bewandert sein, mußte Alles machen können,
was mit seinen Werkzeugen zu machen war; der beschränkte Verkehr und die
geringe Verbindung der einzelnen Städte unter sich, der Mangel an Bevölkerung
und die Beschränktheit der Bedürfnisse ließen keine weitere Teilung der Arbeit
aufkommen, und daher mußte Jeder, der Meister werden wollte, seines ganzen
Handwerks mächtig sein. Daher findet sich bei den mittelalterlichen Handwerkern
noch ein Interesse an ihrer speziellen Arbeit und an der Geschicklichkeit
darin, das sich bis zu einem gewissen bornierten Kunstsinn steigern konnte.
Daher ging aber auch jeder mittelalterliche Handwerker ganz in seiner Arbeit
auf, hatte ein gemütliches Knechtschaftsverhältnis zu ihr und war viel mehr als
der moderne Arbeiter, dem seine Arbeit gleichgültig ist, unter sie subsumiert.
Das Kapital in diesen Städten war ein
naturwüchsiges Kapital, das in der Wohnung, den Handwerkszeugen und der
naturwüchsigen, erblichen Kundschaft bestand und sich wegen des unentwickelten
Verkehrs und der mangelnden Zirkulation als unrealisierbar vom Vater auf den
Sohn forterben mußte. Dies Kapital war nicht, wie das moderne, ein in Geld
abzuschätzendes, bei. dem es gleichgültig ist, ob es in dieser oder jener Sache
steckt, sondern ein unmittelbar mit der bestimmten Arbeit des Besitzers
zusammenhängendes, von ihr gar nicht zu trennendes, und insofern ständisches
Kapital.
Die nächste Ausdehnung der Teilung der Arbeit war
die Trennung von Produktion und Verkehr, die Bildung einer besondern Klasse von
Kaufleuten, eine Trennung, die in den historisch überlieferten Städten (u. a.
mit den Juden) mit überkommen war und in den neugebildeten sehr bald eintrat. <53> Hiermit war die Möglichkeit einer über den
nächsten Umkreis hinausgehenden Handelsverbindung gegeben, eine Möglichkeit,
deren Ausführung von den bestehenden Kommunikationsmitteln, dem durch die
politischen Verhältnisse bedingten Stande der öffentlichen Sicherheit auf dem
Lande (im ganzen Mittelalter zogen bekanntlich die Kaufleute in bewaffneten
Karawanen herum) und von den durch die jedesmalige Kulturstufe bedingten
roheren oder entwickelteren Bedürfnissen des dem Verkehr zugänglichen Gebietes
abhing.
Mit dem in einer besonderen Klasse konstituierten
Verkehr, mit der Ausdehnung des Handels durch die Kaufleute über die nächste
Umgebung der Stadt hinaus, tritt sogleich eine Wechselwirkung zwischen der
Produktion und dem Verkehr ein. Die Städte treten miteinander in
Verbindung, es werden neue Werkzeuge aus einer Stadt in die andre gebracht, und
die Teilung zwischen Produktion und Verkehr ruft bald eine neue Teilung der
Produktion zwischen den einzelnen Städten hervor, deren Jede bald einen
vorherrschenden Industriezweig exploitiert. Die anfängliche Beschränkung auf
die Lokalität fängt an, allmählich aufgelöst zu werden.
Die Bürger in jeder Stadt waren im Mittelalter
gezwungen, sich gegen den Landadel zu vereinigen, um sich ihrer Haut zu wehren;
die Ausdehnung des Handels, die Herstellung der Kommunikationen führte die
einzelnen Städte dazu, andere Städte kennenzulernen, die dieselben Interessen
im Kampfe mit demselben Gegensatz durchgesetzt hatten. Aus den vielen lokalen
Bürgerschaften der einzelnen Städte entstand erst sehr allmählich die Bürgerklasse.
Die Lebensbedingungen der einzelnen Bürger wurden durch den Gegensatz gegen die
bestehenden Verhältnisse und durch die davon bedingte Art der Arbeit zugleich
zu Bedingungen, welche ihnen allen gemeinsam und von jedem einzelnen unabhängig
waren. Die Bürger hatten diese Bedingungen geschaffen, insofern sie sich von
dem feudalen Verbande losgerissen hatten, und waren von ihnen geschaffen,
insofern sie durch ihren Gegensatz gegen die Feudalität, die sie vorfanden,
bedingt waren. Mit dem Eintreten der Verbindung zwischen den einzelnen Städten
entwickelten sich diese gemeinsamen Bedingungen zu Klassenbedingungen.
Dieselben Bedingungen, derselbe Gegensatz, dieselben Interessen mußten im
Ganzen und Großen auch überall gleiche Sitten hervorrufen. Die Bourgeoisie
selbst entwickelt sich erst mit ihren Bedingungen allmählich, spaltet sich nach
der Teilung der Arbeit wieder in verschiedene Fraktionen und absorbiert endlich
alle vorgefundenen besitzenden Klassen in sich (20)
(während sie die Majorität der vorgefundenen <54>
besitzlosen und einen Teil der bisher besitzenden Klassen zu einer neuen
Klasse, dem Proletariat, entwickelt), in dem Maße, als alles vorgefundene
Eigentum in industrielles oder kommerzielles Kapital umgewandelt wird. Die
einzelnen Individuen bilden nur insofern eine Klasse, als sie einen gemeinsamen
Kampf gegen eine andre Klasse zu führen haben; im übrigen stehen sie einander
selbst in der Konkurrenz wieder feindlich gegenüber. Auf der andern Seite
verselbständigt sich die Klasse wieder gegen die Individuen, so daß diese ihre
Lebensbedingungen prädestiniert vorfinden, von der Klasse ihre Lebensstellung
und damit ihre Persönliche Entwicklung angewiesen bekommen, unter sie
subsumiert werden. Dies ist dieselbe Erscheinung wie die Subsumtion der
einzelnen Individuen unter die Teilung der Arbeit und kann nur durch die
Aufhebung des Privateigentums und der Arbeit selbst beseitigt werden. Wie diese
Subsumtion der Individuen unter die Klasse sich zugleich zu einer Subsumtion
unter allerlei Vorstellungen pp. entwickelt, haben wir bereits mehrere Male
angedeutet.
Es hängt lediglich von der Ausdehnung des Verkehrs
ab, ob die in einer Lokalität gewonnenen Produktivkräfte, namentlich
Erfindungen, für die spätere Entwicklung verlorengehen oder nicht. Solange noch
kein über die unmittelbare Nachbarschaft hinausgehender Verkehr existiert, muß
jede Erfindung in jeder Lokalität besonders gemacht werden, und bloße Zufälle,
wie Irruptionen barbarischer Völker, selbst gewöhnliche Kriege, reichen hin,
ein Land mit entwickelten Produktivkräften und Bedürfnissen dahin zu bringen,
daß es wieder von vorne anfangen muß. In der anfänglichen Geschichte mußte jede
Erfindung täglich neu und in jeder Lokalität unabhängig gemacht werden. Wie
wenig ausgebildete Produktivkräfte selbst bei einem verhältnismäßig sehr
ausgedehnten Handel vor dem gänzlichen Untergange sicher sind, beweisen die
Phönizier, deren Erfindungen zum größten Teil durch die Verdrängung dieser
Nation aus dem Handel, die Eroberung Alexanders und den daraus folgenden
Verfall auf lange Zeit verlorengingen. Ebenso im Mittelalter die Glasmalerei
z.B. Erst wenn der Verkehr zum Weltverkehr geworden ist und die große Industrie
zur Basis hat, alle Nationen in den Konkurrenzkampf hereingezogen sind, ist die
Dauer der gewonnenen Produktivkräfte gesichert.
Die Teilung der Arbeit zwischen den verschiedenen
Städten hatte zur nächsten Folge das Entstehen der Manufakturen, der dem
Zunftwesen entwachsenen Produktionszweige. Das erste Aufblühen der Manufakturen
- in Italien und später in Flandern - hatte den Verkehr mit auswärtigen
Nationen <55> zu seiner historischen
Voraussetzung. In andern Ländern - England und Frankreich z.B. - beschränkten
die Manufakturen sich anfangs auf den inländischen Markt. Die Manufakturen
haben außer den angegebenen Voraussetzungen noch eine schon fortgeschrittene
Konzentration der Bevölkerung - namentlich auf dem Lande - und des Kapitals,
das sich teils in den Zünften trotz der Zunftgesetze, teils bei den Kaufleuten
in einzelnen Händen zu sammeln anfing, zur Voraussetzung.
Diejenige Arbeit, die von vornherein eine
Maschine, wenn auch noch in der rohsten Gestalt, voraussetzte, zeigte sich sehr
bald als die entwicklungsfahigste. Die Weberei, bisher auf dem Lande von den
Bauern nebenbei betrieben, um sich ihre nötige Kleidung zu verschaffen, war die
erste Arbeit, welche durch die Ausdehnung des Verkehrs einen Anstoß und eine
weitere Ausbildung erhielt. Die Weberei war die erste und blieb die
hauptsächlichste Manufaktur. Die mit der steigenden Bevölkerung steigende
Nachfrage nach Kleidungsstoffen, die beginnende Akkumulation und Mobilisation
des naturwüchsigen Kapitals durch die beschleunigte Zirkulation, das hierdurch
hervorgerufene und durch die allmähliche Ausdehnung des Verkehrs überhaupt
begünstigte Luxusbedürfnis gaben der Weberei quantitativ und qualitativ einen
Anstoß, der sie aus der bisherigen Produktionsform herausriß. Neben den zum
Selbstgebrauch webenden Bauern, die fortbestehen blieben und noch fortbestehen,
kam eine neue Klasse von Webern in den Städten auf, deren Gewebe für den ganzen
heimischen Markt und meist auch für auswärtige Märkte bestimmt waren.
Die Weberei, eine in den meisten Fällen wenig
Geschicklichkeit erfordernde und bald in unendlich viele Zweige zerfallende
Arbeit, widerstrebte ihrer ganzen Beschaffenheit nach den Fesseln der Zunft.
Die Weberei wurde daher auch meist in Dörfern und Marktflecken ohne zünftige
Organisation betrieben, die allmählich zu Städten, und zwar bald zu den
blühendsten Städten jedes Landes wurden.
Mit der zunftfreien Manufaktur veränderten sich
sogleich auch die Eigentumsverhältnisse. Der erste Fortschritt über das
naturwüchsig-ständische Kapital hinaus war durch das Aufkommen der Kaufleute
gegeben, deren Kapital von vornherein mobil, Kapital im modernen Sinne war,
soweit davon unter den damaligen Verhältnissen die Rede sein kann. Der zweite
Fortschritt kam mit der Manufaktur, die wieder eine Masse des naturwüchsigen
Kapitals mobilisierte und überhaupt die Masse des mobilen Kapitals gegenüber
der des naturwüchsigen vermehrte.
Die Manufaktur wurde zugleich eine Zuflucht der
Bauern gegen die sie ausschließenden oder schlecht bezahlenden Zünfte, wie
früher die Zunft- <56> städte den Bauern als
Zuflucht gegen [den sie bedrückenden Landadel gedient] hatten.
Mit dem Anfange der Manufakturen gleichzeitig war
eine Periode des Vagabundentums, veranlaßt durch das Aufhören der feudalen
Gefolgschaften, die Entlassung der zusammengelaufenen Armeen, die den Königen
gegen die Vasallen gedient hatten, durch verbesserten Ackerbau und Verwandlung von
großen Streifen Ackerlandes in Viehweiden. Schon hieraus geht hervor, wie dies
Vagabundentum genau mit der Auflösung der Feudalität zusammenhängt. Schon im
dreizehnten Jahrhundert kommen einzelne Epochen dieser Art vor, allgemein und
dauernd tritt dies Vagabundentum erst mit dem Ende des 15. und Anfang des 16.
Jahrhunderts hervor. Diese Vagabunden, die so zahlreich waren, daß u.a.
Heinrich VIII. von England ihrer 72 000 hängen ließ, wurden nur mit den größten
Schwierigkeiten und durch die äußerste Not und erst nach langem Widerstreben
dahin gebracht, daß sie arbeiteten. Das rasche Aufblühen der Manufakturen,
namentlich in England, absorbierte sie allmählich.
Mit der Manufaktur traten die verschiedenen
Nationen in ein Konkurrenzverhältnis, in den Handelskampf, der in Kriegen,
Schutzzöllen und Prohibitionen durchgekämpft wurde, während früher die
Nationen, soweit sie in Verbindung waren, einen harmlosen Austausch miteinander
verführt hatten. Der Handel hat von nun an politische Bedeutung.
Mit der Manufaktur war zugleich ein verändertes
Verhältnis des Arbeiters zum Arbeitgeber gegeben. In den Zünften existierte das
patriarchalische Verhältnis zwischen Gesellen und Meister fort; in der
Manufaktur trat an seine Stelle das Geldverhältnis zwischen Arbeiter und Kapitalist;
ein Verhältnis, das auf dem Lande und in kleinen Städten patriarchalisch
tingiert blieb, in den größeren, eigentlichen Manufakturstädten jedoch schon
früh fast alle patriarchalische Färbung verlor.
Die Manufaktur und überhaupt die Bewegung der Produktion
erhielt einen enormen Aufschwung durch die Ausdehnung des Verkehrs, welche mit
der Entdeckung Amerikas und des Seeweges nach Ostindien eintrat. Die neuen, von
dort importierten Produkte, namentlich die Massen von Gold und Silber, die in
Zirkulation kamen, die Stellung der Klassen gegeneinander total veränderten und
dem feudalen Grundeigentum und den Arbeitern einen harten Stoß gaben, die
Abenteurerzüge, Kolonisation und vor Allem die jetzt möglich gewordene und
täglich sich mehr und mehr herstellende Ausdehnung der Märkte zum Weltmarkt
riefen eine neue Phase der <57> geschichtlichen
Entwicklung hervor, auf welche im Allgemeinen hier nicht weiter einzugehen ist.
Durch die Kolonisation der neuentdeckten Länder erhielt der Handelskampf der
Nationen gegeneinander neue Nahrung und demgemäß größere Ausdehnung und
Erbitterung.
Die Ausdehnung des Handels und der Manufaktur
beschleunigten die Akkumulation des mobilen Kapitals, während in den Zünften,
die keinen Stimulus zur erweiterten Produktion erfuhren, das naturwüchsige
Kapital stabil blieb oder gar abnahm. Handel und Manufaktur schufen die große
Bourgeoisie, in den Zünften konzentrierte sich die Kleinbürgerschaft, die nun
nicht mehr wie früher in den Städten herrschte, sondern der Herrschaft der
großen Kaufleute und Manufacturiers sich beugen mußte (21).
Daher der Verfall der Zünfte, sobald sie mit der Manufaktur in Berührung
kam[en].
Das Verhältnis der Nationen untereinander in ihrem
Verkehr nahm während der Epoche, von der wir gesprochen haben, zwei
verschiedene Gestalten an. Im Anfange bedingte die geringe zirkulierende
Quantität des Goldes und Silbers das Verbot der Ausfuhr dieser Metalle; und die
durch die Notwendigkeit der Beschäftigung für die wachsende städtische
Bevölkerung nötig gewordene, meist vom Auslande importierte Industrie konnte
der Privilegien nicht entbehren, die natürlich nicht nur gegen inländische,
sondern hauptsächlich gegen auswärtige Konkurrenz gegeben werden konnten. Das
lokale Zunftprivilegium wurde in diesen ursprünglichen Prohibitionen auf die
ganze Nation erweitert. Die Zölle entstanden aus den Abgaben, die die
Feudalherren den ihr Gebiet durchziehenden Kaufleuten als Abkauf der Plünderung
auflegten, Abgaben, die später von den Städten ebenfalls auferlegt wurden und
die beim Aufkommen der modernen Staaten das zunächstliegende Mittel für den
Fiskus waren, um Geld zu bekommen.
Die Erscheinung des amerikanischen Goldes und
Silbers auf den europäischen Märkten, die allmähliche Entwicklung der
Industrie, der rasche Aufschwung des Handels und das hierdurch hervorgerufene
Aufblühen der nichtzünftigen Bourgeoisie und des Geldes gab diesen Maßregeln
eine andre Bedeutung. Der Staat, der des Geldes täglich weniger entbehren konnte,
behielt nun das Verbot der Gold- und Silberausfuhr aus fiskalischen Rücksichten
bei; die Bourgeois, für die diese neu auf den Markt geschleuderten Geldmassen
der Hauptgegenstand des Akkaparements <wucherischen Ankaufs> war, waren
damit vollständig zufrieden; die bisherigen Privilegien wurden eine
Einkommenquelle für die Regierung und für Geld verkauft; in der
Zollgesetzgebung <58> kamen die Ausfuhrzölle auf,
die, der Industrie nur ein Hindernis in den Weg [legend), einen rein
fiskalischen Zweck hatten.
Die zweite Periode trat mit der Mitte des
siebzehnten Jahrhunderts ein und dauerte fast bis zum Ende des achtzehnten. Der
Handel und die Schiffahrt hatten sich rascher ausgedehnt als die Manufaktur,
die eine sekundäre Rolle spielte; die Kolonien fingen an, starke Konsumenten zu
werden, die einzelnen Nationen teilten sich durch lange Kämpfe in den sich
öffnenden Weltmarkt. Diese Periode beginnt mit den Navigationsgesetzen und
Kolonialmonopolen. Die Konkurrenz der Nationen untereinander wurde durch Tarife,
Prohibitionen, Traktate möglichst ausgeschlossen; und in letzter Instanz wurde
der Konkurrenzkampf durch Kriege (besonders Seekriege) geführt und entschieden.
Die zur See mächtigste Nation, die Engländer, behielten das Übergewicht im
Handel und der Manufaktur. Schon hier die Konzentration auf Ein Land.
Die Manufaktur war fortwährend durch Schutzzölle
im heimischen Markte, im Kolonialmarkte durch Monopole und im auswärtigen
möglichst viel durch Differentialzölle geschützt. Die Bearbeitung des im Lande
selbst erzeugten Materials wurde begünstigt (Wolle und Leinen in England, Seide
in Frankreich), die Ausfuhr des im Inlande erzeugten Rohmaterials verboten
(Wolle in England) und die [Bearbeitung] des importierten vernachlässigt oder
unterdrückt (Baumwolle in England). Die im Seehandel und der Kolonialmacht
vorherrschende Nation sicherte sich natürlich auch die größte quantitative und
qualitative Ausdehnung der Manufaktur. Die Manufaktur konnte überhaupt des
Schutzes nicht entbehren, da sie durch die geringste Veränderung, die in andern
Ländern vorgeht, ihren Markt verlieren und ruiniert werden kann; sie ist leicht
in einem Lande unter einigermaßen günstigen Bedingungen eingeführt und
ebendeshalb leicht zerstört. Sie ist zugleich durch die Art, wie sie, namentlich
im 18. Jahrhundert auf dem Lande, betrieben wurde, mit den Lebensverhältnissen
einer großen Masse von Individuen so verwachsen, daß kein Land wagen darf, ihre
Existenz durch Zulassung der freien Konkurrenz aufs Spiel zu setzen. Sie hängt
daher, insofern sie es bis zum Export bringt, ganz von der Ausdehnung oder
Beschränkung des Handels ab und übt eine verhältnis[mäßig] sehr geringe
Rückwirkung [auf ihn] aus. Daher ihre sekundäre [Bedeutung] und daher der
Einfluß [der Kauf]leute im achtzehnten Jahrhundert. Die Kaufleute und besonders
die Reeder waren es, die vor allen Andern auf Staatsschutz und Monopolien
drangen; die Manufacturiers verlangten und erhielten zwar auch Schutz, standen
aber fortwährend hinter den Kaufleuten an politischer Bedeutung zurück. Die Handelsstädte,
speziell die Seestädte, wurden einigermaßen zivilisiert <59>
und großbürgerlich, während in den Fabrikstädten die größte Kleinbürgerei
bestehen blieb. Vgl.
Aikin pp. Das achtzehnte Jahrhundert war das
des Handels. Pinto
sagt dies ausdrücklich: "Le commerce fait la marotte du siècle"
<"Der Handel ist das Steckenpferd des Jahrhunderts">, und:
"Depuis quelque temps il n'est plus question que de commerce, de
navigation et de marine." <"Seit
einiger Zeit ist nur noch von Handel, Seefahrt und Marine die Rede."> (22)
Diese Periode ist auch bezeichnet durch das
Aufhören der Gold- und Silberausfuhrverbote, das Entstehen des Geldhandels, der
Banken, der Staatsschulden, des Papiergeldes, der Aktien- und Fondsspekulation,
der Agiotage in allen Artikeln und der Ausbildung des Geldwesens überhaupt. Das
Kapital verlor wieder einen großen Teil der ihm noch anklebenden
Naturwüchsigkeit.
Die im siebzehnten Jahrhundert unaufhaltsam sich
entwickelnde Konzentration des Handels und der Manufaktur auf ein Land,
England, schuf für dieses Land allmählich einen relativen Weltmarkt und damit
eine Nachfrage für die Manufakturprodukte dieses Landes, die durch die
bisherigen industriellen Produktivkräfte nicht mehr befriedigt werden konnte.
Diese den Produktionskräften über den Kopf wachsende Nachfrage war die
treibende Kraft, welche die dritte Periode des Privateigentums seit dem
Mittelalter hervorrief, indem sie die große Industrie - die Anwendung von Elementarkräften
zu industriellen Zwecken, die Maschinerie und die ausgedehnteste Teilung der
Arbeit - erzeugte. Die übrigen Bedingungen dieser neuen Phase - die Freiheit
der Konkurrenz innerhalb der Nation, die Ausbildung der theoretischen Mechanik
(die durch Newton vollendete Mechanik war überhaupt im 18. Jahrhundert in
Frankreich und England die populärste Wissenschaft) pp. - existierten in
England bereits. (Die freie Konkurrenz in der Nation selbst mußte überall durch
eine Revolution erobert werden - 1640 und 1688 in England, 1789 in Frankreich.)
Die Konkurrenz zwang bald jedes <60> Land, das
seine historische Rolle behalten wollte, seine Manufakturen durch erneuerte
Zollmaßregeln zu schützen (die alten Zölle halfen gegen die große Industrie
nicht mehr) und bald darauf die große Industrie unter Schutzzöllen einzuführen.
Die große Industrie universalisierte trotz dieser Schutzmittel die Konkurrenz
(sie ist die praktische Handelsfreiheit, der Schutzzoll ist in ihr nur ein
Palliativ, eine Gegenwehr in der Handelsfreiheit), stellte die
Kommunikationsmittel und den modernen Weltmarkt her, unterwarf sich den Handel,
verwandelte alles Kapital in industrielles Kapital und erzeugte damit die
rasche Zirkulation (die Ausbildung des Geldwesens) und Zentralisation der Kapitalien.
Sie zwang durch die universelle Konkurrenz alle Individuen zur äußersten
Anspannung ihrer Energie. Sie vernichtete möglichst die Ideologie, Religion,
Moral etc., und wo sie dies nicht konnte, machte sie sie zur handgreiflichen
Lüge. Sie erzeugte insoweit erst die Weltgeschichte, als sie jede zivilisierte
Nation und jedes Individuum darin in der Befriedigung seiner Bedürfnisse von
der ganzen Welt abhängig machte und die bisherige naturwüchsige
Ausschließlichkeit einzelner Nationen vernichtete. Sie subsumierte die
Naturwissenschaft unter das Kapital und nahm der Teilung der Arbeit den letzten
Schein der Naturwüchsigkeit. Sie vernichtete überhaupt die Naturwüchsigkeit,
soweit dies innerhalb der Arbeit möglich ist, und löste alle naturwüchsigen
Verhältnisse in Geldverhältnisse auf. Sie schuf an der Stelle der
naturwüchsigen Städte die modernen, großen Industriestädte, die über Nacht
entstanden sind. Sie zerstörte, wo sie durchdrang, das Handwerk und überhaupt
alle früheren Stufen der Industrie. Sie vollendete den Sieg [der] Handelsstadt
über das Land. [Ihre erste Voraussetzung] ist das automatische System. [Ihre
Entwicklung er]zeugte eine Masse von Pro[duktivkr]äften, für die das
Privat[eigentum] ebensosehr eine Fessel wurde wie die Zunft für die Manufaktur
und der kleine, ländliche Betrieb für das sich ausbildende Handwerk. Diese
Produktivkräfte erhalten unter dem Privateigentum eine nur einseitige
Entwicklung, werden für die Mehrzahl zu Destruktivkräften, und eine Menge
solcher Kräfte können im Privateigentum gar nicht zur Anwendung kommen. Sie
erzeugte im Allgemeinen überall dieselben Verhältnisse zwischen den Klassen der
Gesellschaft und vernichtete dadurch die Besonderheit der einzelnen
Nationalitäten. Und endlich, während die Bourgeoisie jeder Nation noch aparte
nationale Interessen behält, schuf die große Industrie eine Klasse, die bei
allen Nationen dasselbe Interesse hat und bei der die Nationalität schon
vernichtet ist, eine Klasse, die wirklich die ganze alte Welt los ist und
zugleich ihr gegenübersteht. Sie macht dem Arbeiter nicht bloß das Verhältnis
zum Kapitalisten, sondern die Arbeit selbst unerträglich.
<61> Es versteht sich, daß die große Industrie nicht in jeder
Lokalität eines Landes zu derselben Höhe der Ausbildung kommt. Dies hält indes
die Klassenbewegung des Proletariats nicht auf, da die durch die große
Industrie erzeugten Proletarier an die Spitze dieser Bewegung treten und die
ganze Masse mit sich fortreißen, und da die von der großen Industrie
ausgeschlossenen Arbeiter durch diese große Industrie in eine noch schlechtere
Lebenslage versetzt werden als die Arbeiter der großen Industrie selbst. Ebenso
wirken die Länder, in denen eine große Industrie entwickelt ist, auf die plus
ou moins <mehr oder weniger> nichtindustriellen Länder, sofern diese
durch den Weltverkehr in den universellen Konkurrenzkampf hereingerissen sind. (23)
Diese verschiedenen Formen sind ebensoviel Formen
der Organisation der Arbeit und damit des Eigentums. In jeder Periode fand eine
Vereinigung der existierenden Produktivkräfte statt, soweit sie durch die
Bedürfnisse notwendig geworden war.
[2.] Verhältnis von Staat und Recht zum
Eigentum
Die erste Form des Eigentums ist sowohl in der
antiken Welt wie im Mittelalter das Stammeigentum, bedingt bei den Römern
hauptsächlich durch den Krieg, bei den Germanen durch die Viehzucht. Bei den
antiken Völkern erscheint, weil in einer Stadt mehrere Stämme zusammenwohnen,
das Stammeigentum als Staatseigentum und das Recht des Einzelnen daran als
bloße Possessio <Besitz>, die sich indes, wie das Stammeigentum
überhaupt, nur auf das Grundeigentum beschränkt. Das eigentliche Privateigentum
fängt bei den Alten, wie bei den modernen Völkern, mit dem Mobiliareigentum an.
- (Sklaverei und Gemeinwesen) (dominium ex jure Quiritum <Eigentum eines
altrömischen Vollbürgers>). Bei den aus <62>
dem Mittelalter hervorgehenden Völkern entwickelt sich das Stammeigentum so
durch verschiedene Stufen - feudales Grundeigentum, korporatives
Mobiliareigentum, Manufakturkapital - bis zum modernen, durch die große
Industrie und universelle Konkurrenz bedingten Kapital, dem reinen
Privateigentum, das allen Schein des Gemeinwesens abgestreift und alle
Einwirkung des Staats auf die Entwicklung des Eigentums ausgeschlossen hat.
Diesem modernen Privateigentum entspricht der moderne Staat, der durch die
Steuern allmählich von den Privateigentümern an sich gekauft, durch das
Staatsschuldenwesen ihnen vollständig verfallen und dessen Existenz in dem Steigen
und Fallen der Staatspapiere auf der Börse gänzlich von dem kommerziellen
Kredit abhängig geworden ist, den ihm die Privateigentümer, die Bourgeois,
geben. Die Bourgeoisie ist schon, weil sie eine Klasse, nicht mehr ein Stand
ist, dazu gezwungen, sich national, nicht mehr lokal zu organisieren und
ihrem Durchschnittsinteresse eine allgemeine Form zu geben. Durch die
Emanzipation des Privateigentums vom Gemeinwesen ist der Staat zu einer
besonderen Existenz neben und außer der bürgerlichen Gesellschaft geworden; er
ist aber weiter Nichts als die Form der Organisation, welche sich die Bourgeois
sowohl nach Außen als nach innen hin zur gegenseitigen Garantie ihres Eigentums
und ihrer Interessen notwendig geben. Die Selbständigkeit des Staats kommt heutzutage
nur noch in solchen Ländern vor, wo die Stände sich nicht vollständig zu
Klassen entwickelt haben, wo die in den fortgeschrittneren Ländern beseitigten
Stände noch eine Rolle spielen und ein Gemisch existiert; in denen daher kein
Teil der Bevölkerung es zur Herrschaft über die übrigen bringen kann. Dies ist
namentlich in Deutschland der Fall. Das vollendetste Beispiel des modernen
Staats ist Nordamerika. Die neueren französischen, englischen und
amerikanischen Schriftsteller sprechen sich Alle dahin aus, daß der Staat nur
um des Privateigentums willen existiere, so daß dies auch in das gewöhnliche
Bewußtsein übergegangen ist.
Da der Staat die Form ist, in welcher die
Individuen einer herrschenden Klasse ihre gemeinsamen Interessen geltend machen
und die ganze bürgerliche Gesellschaft einer Epoche sich zusammenfaßt, so
folgt, daß alle gemeinsamen Institutionen durch den Staat vermittelt werden,
eine politische Form erhalten. Daher die Illusion, als ob das Gesetz auf dem
Willen, und zwar auf dem von seiner realen Basis losgerissenen, dem freien Willen
beruhe. Ebenso wird das Recht dann wieder auf das Gesetz reduziert.
Das Privatrecht entwickelt sich zu gleicher Zeit
mit dem Privateigentum aus der Auflösung des naturwüchsigen Gemeinwesens. Bei
den Römern blieb die Entwicklung des Privateigentums und Privatrechts ohne
weitere industrielle und kommerzielle Folgen, weil ihre ganze Produktionsweise
dieselbe <63> blieb (24).
Bei den modernen Völkern, wo das feudale Gemeinwesen durch die Industrie und
den Handel aufgelöst wurde, begann mit dem Entstehen des Privateigentums und
Privatrechts eine neue Phase, die einer weiteren Entwicklung fähig war. Gleich
die erste Stadt, die im Mittelalter einen ausgedehnten Seehandel führte,
Amalfi, bildete auch das Seerecht aus. Sobald, zuerst in Italien und später in
anderen Ländern, die Industrie und der Handel das Privateigentum
weiterentwickelten, wurde gleich das ausgebildete römische Privatrecht wieder
aufgenommen und zur Autorität erhoben. Als später die Bourgeoisie so viel Macht
erlangt hatte, daß die Fürsten sich ihrer Interessen annahmen, um vermittelst
der Bourgeoisie den Feudaladel zu stürzen, begann in allen Ländern - in
Frankreich im 16. Jahrhundert - die eigentliche Entwicklung des Rechts, die in
allen Ländern, ausgenommen England, auf der Basis des römischen Kodex vor sich
ging. Auch in England mußten römische Rechtsgrundsätze zur weiteren Ausbildung
des Privatrechts (besonders beim Mobiliareigentum) hereingenommen werden.
(Nicht zu vergessen, daß das Recht ebensowenig eine eigene Geschichte hat wie
die Religion.)
Im Privatrecht werden die bestehenden
Eigentumsverhältnisse als Resultat des allgemeinen Willens ausgesprochen. Das
jus utendi et abutendi <das Recht, das Seinige zu gebrauchen und zu
verbrauchen (auch: mißbrauchen)> selbst spricht einerseits die Tatsache aus,
daß das Privateigentum vom Gemeinwesen durchaus unabhängig geworden ist, und
andererseits die Illusion, als ob das Privateigentum selbst auf dem bloßen
Privatwillen, der willkürlichen Disposition über die Sache beruhe. In der
Praxis hat das abuti <verbrauchen, (auch: Mißbrauchen)> sehr bestimmte
ökonomische Grenzen für den Privateigentümer, wenn er nicht sein Eigentum und
damit sein jus abutendi in andre Hände übergehn sehen will, da überhaupt die
Sache, bloß in Beziehung auf seinen Willen betrachtet, gar keine Sache ist,
sondern erst im Verkehr und unabhängig vom Recht zu einer Sache, zu wirklichem
Eigentum wird (ein Verhältnis, was die Philosophen eine Idee nennen) (25).
Diese juristische Illusion, die das Recht auf den
bloßen Willen reduziert, führt in der weiteren Entwicklung der
Eigentumsverhältnisse notwendig dahin, daß Jemand einen juristischen Titel auf
eine Sache haben kann, ohne <64> die Sache
wirklich zu haben. Wird z.B. durch die Konkurrenz die Rente eines Grundstückes
beseitigt, so hat der Eigentümer desselben zwar seinen juristischen Titel
daran, samt dem jus utendi et abutendi. Aber er kann nichts damit anfangen, er
besitzt nichts als Grundeigentümer, falls er nicht sonst noch Kapital genug
besitzt, um seinen Boden zu bebauen. Aus derselben Illusion der Juristen
erklärt es sich, daß es für sie und für jeden Kodex überhaupt zufällig ist, daß
Individuen in Verhältnisse untereinander treten, z.B. Verträge, und daß ihm
diese Verhältnisse für solche gelten, die man nach Belieben eingehen oder nicht
eingehen [kann] und deren Inhalt ganz auf der individuellen [Will]kür der
Kontrahenten [ber]uht.
Sooft sich durch die Entwick[lung] der Industrie
und des Handels neue [Ve]rkehrsformen gebildet haben, [z.] B.
Assekuranz-etc.-Kompanien, war das Recht jedesmal genötigt, sie unter die
Eigentumserwerbsarten aufzunehmen.
Es ist nichts gewöhnlicher als die Vorstellung, in
der Geschichte sei es bisher nur auf das Nehmen angekommen. Die Barbaren
nehmen das römische Reich, und mit der Tatsache dieses Nehmens erklärt
man den Übergang aus der alten Welt in die Feudalität. Bei dem Nehmen durch
Barbaren kommt es aber darauf an, ob die Nation, die eingenommen wird,
industrielle Produktivkräfte entwickelt hat, wie dies bei den modernen Völkern
der Fall ist, oder ob ihre Produktivkräfte hauptsächlich bloß auf ihrer
Vereinigung und dem Gemeinwesen beruhen. Das Nehmen ist ferner bedingt durch
den Gegenstand, der genommen wird. Das in Papier bestehende Vermögen eines
Bankiers kann gar nicht genommen werden, ohne daß der Nehmende sich den
Produktions- und Verkehrsbedingungen des genommenen Landes unterwirft. Ebenso
das gesamte industrielle Kapital eines modernen Industrielandes. Und endlich
hat das Nehmen überall sehr bald ein Ende, und wenn nichts mehr zu nehmen ist,
muß man anfangen zu produzieren. Aus dieser sehr bald eintretenden Notwendigkeit
des Produzierens folgt, daß die von den sich niederlassenden Eroberern
angenommene Form des Gemeinwesens der Entwicklungsstufe der vorgefundnen
Produktivkräfte entsprechen, oder, wenn dies nicht von vornherein der Fall ist,
sich nach den Produktivkräften ändern muß. Hieraus erklärt sich auch das
Faktum, das man in der Zeit nach der Völkerwanderung überall bemerkt haben
will, daß nämlich der Knecht der Herr war, und die Eroberer von den Eroberten
Sprache, Bildung und Sitten sehr bald annahmen.
Die Feudalität wurde keineswegs aus Deutschland
fertig mitgebracht, sondern sie hatte ihren Ursprung von seiten der Eroberer in
der kriegerischen <65> Organisation des Heerwesens
während der Eroberung selbst, und diese entwickelte sich nach derselben durch
die Einwirkung der in den eroberten Ländern vorgefundnen Produktivkräfte erst
zur eigentlichen Feudalität. Wie sehr diese Form durch die Produktivkräfte
bedingt war, zeigen die gescheiterten Versuche, andre aus altrömischen
Reminiszenzen entspringende Formen durchzusetzen (Karl der Große pp.).
[3.] Naturwüchsige und zivilisierte
Produktionsinstrumente
und Eigentumsformen
[...] <Hier fehlen in der Handschrift vier
Seiten> funden wird. Aus dem ersteren ergibt sich die Voraussetzung
einer ausgebildeten Teilung der Arbeit und eines ausgedehnten Handels, aus dem
zweiten die Lokalität. Bei dem ersten müssen die Individuen zusammengebracht
sein, bei dem zweiten finden sie sich neben dem gegebenen Produktionsinstrument
selbst als Produktionsinstrumente vor. Hier tritt also der Unterschied zwischen
den naturwüchsigen und den durch die Zivilisation geschaffenen
Produktionsinstrumenten hervor. Der Acker (das Wasser etc.) kann als
naturwüchsiges Produktionsinstrument betrachtet werden. Im ersten Fall, beim
naturwüchsigen Produktionsinstrument, werden die Individuen unter die Natur
subsumiert, im zweiten Falle unter ein Produkt der Arbeit. Im ersten Falle
erscheint daher auch das Eigentum (Grundeigentum) als unmittelbare,
naturwüchsige Herrschaft, im zweiten als Herrschaft der Arbeit, speziell der
akkumulierten Arbeit, des Kapitals. Der erste Fall setzt voraus, daß die
Individuen durch irgendein Band, sei es Familie, Stamm, der Boden selbst pp.
zusammengehören, der zweite Fall, daß sie unabhängig voneinander sind und nur
durch den Austausch zusammengehalten werden. Im ersten Fall ist der Austausch
hauptsächlich ein Austausch zwischen den Menschen und der Natur, ein Austausch,
in dem die Arbeit der Einen gegen die Produkte der Andern eingetauscht wird; im
zweiten Falle ist er vorherrschend Austausch der Menschen unter sich. Im ersten
Falle reicht der durchschnittliche Menschenverstand hin, körperliche und
geistige Tätigkeit sind noch gar nicht getrennt; im zweiten Falle muß bereits
die Teilung zwischen geistiger und körperlicher Arbeit praktisch vollzogen
sein. Im ersten Falle kann die Herrschaft des Eigentümers über die
Nichteigentümer auf persönlichen Verhältnissen, auf einer Art von Gemeinwesen
beruhen, im zweiten Falle muß sie in einem Dritten, dem Geld, eine dingliche
Gestalt angenommen haben. Im ersten Falle existiert die kleine Industrie, aber
subsumiert <66> unter die Benutzung des
naturwüchsigen Produktionsinstruments, und daher ohne Verteilung der Arbeit an
verschiedene Individuen; im zweiten Falle besteht die Industrie nur in und
durch die Teilung der Arbeit.
Wir gingen bisher von den Produktionsinstrumenten
aus, und schon hier zeigte sich die Notwendigkeit des Privateigentums für
gewisse industrielle Stufen. In der industrie extractive <auf die Gewinnung
von Rohstoffen gerichteten Industrie> fällt das Privateigentum mit der
Arbeit noch ganz zusammen; in der kleinen Industrie und aller bisherigen
Agrikultur ist das Eigentum notwendige Konsequenz der vorhandenen
Produktionsinstrumente; in der großen Industrie ist der Widerspruch zwischen
dem Produktionsinstrument und Privateigentum erst ihr Produkt, zu dessen
Erzeugung sie bereits sehr entwickelt sein muß. Mit ihr ist also auch die
Aufhebung des Privateigentums erst möglich.
In der großen Industrie und Konkurrenz sind die
sämtlichen Existenzbedingungen, Bedingtheiten, Einseitigkeiten der Individuen
zusammengeschmolzen in die beiden einfachsten Formen: Privateigentum und
Arbeit. Mit dem Gelde ist jede Verkehrsform und der Verkehr selbst für die
Individuen als zufällig gesetzt. Also liegt schon im Gelde, daß aller bisherige
Verkehr nur Verkehr der Individuen unter bestimmten Bedingungen, nicht der
Individuen als Individuen war. Diese Bedingungen sind auf zwei - akkumulierte
Arbeit oder Privateigentum, oder wirkliche Arbeit - reduziert. Hört diese oder
eine von ihnen auf, so stockt der Verkehr. Die modernen Ökonomen selbst, z. B.
Sismondi, Cherbuliez etc., stellen die association des individus
<Vereinigung der Individuen> der association des capitaux <Vereinigung
des Kapitals> entgegen. Andererseits sind die Individuen selbst vollständig
unter die Teilung der Arbeit subsumiert und dadurch in die vollständigste
Abhängigkeit voneinander gebracht. Das Privateigentum, soweit es, innerhalb der
Arbeit, der Arbeit gegenübertritt, entwickelt sich aus der Notwendigkeit der
Akkumulation und hat im Anfange immer noch mehr die Form des Gemeinwesens,
nähert sich aber in der weiteren Entwicklung immer mehr der modernen Form des
Privateigentums. Durch die Teilung der Arbeit ist schon von vornherein die Teilung
auch der Arbeitsbedingungen, Werkzeuge und Materialien gegeben und damit die
Zersplitterung des akkumulierten Kapitals an verschiedne Eigentümer, und damit
die Zersplitterung zwischen Kapital und Arbeit, und die verschiedenen Formen
des Eigentums selbst. Je mehr sich die Teilung der Arbeit ausbildet und je mehr
die Akkumulation wächst, desto schärfer bildet sich auch diese Zersplitterung
aus. Die Arbeit selbst kann nur bestehen unter der Voraussetzung dieser
Zersplitterung.
<67> Es zeigen sich hier also zwei Fakta (26).
Erstens erscheinen die Produktivkräfte als ganz unabhängig und losgerissen von
den Individuen, als eine eigne Welt neben den Individuen, was darin seinen
Grund hat, daß die Individuen, deren Kräfte sie sind, zersplittert und im
Gegensatz gegeneinander existieren, während diese Kräfte andererseits nur im
Verkehr und Zusammenhang dieser Individuen wirkliche Kräfte sind. Also auf der
einen Seite eine Totalität von Produktivkräften, die gleichsam eine sachliche
Gestalt angenommen haben und für die Individuen selbst nicht mehr die Kräfte
der Individuen, sondern des Privateigentums [sind], und daher der Individuen
nur, insofern sie Privateigentümer sind. In keiner früheren Periode hatten die
Produktivkräfte diese gleichgültige Gestalt für den Verkehr der Individuen als
Individuen angenommen, weil ihr Verkehr selbst noch ein bornierter war. Auf der
andern Seite steht diesen Produktivkräften die Majorität der Individuen
gegenüber, von denen diese Kräfte losgerissen sind und die daher alles
wirklichen Lebensinhalts beraubt, abstrakte Individuen geworden sind, die aber
dadurch erst in den Stand gesetzt werden, als Individuen miteinander in
Verbindung zu treten.
Der einzige Zusammenhang, in dem sie noch mit den
Produktivkräften und mit ihrer eignen Existenz stehen, die Arbeit, hat bei
ihnen allen Schein der Selbstbetätigung verloren und erhält ihr Leben nur,
indem sie es verkümmert. Während in den früheren Perioden Selbstbetätigung und Erzeugung
des materiellen Lebens dadurch getrennt waren, daß sie an verschiedene Personen
fielen und die Erzeugung des materiellen Lebens wegen der Borniertheit der
Individuen selbst noch als eine untergeordnete Art der Selbstbetätigung galt,
fallen sie jetzt so auseinander, daß überhaupt das materielle Leben als Zweck,
die Erzeugung dieses materiellen Lebens, die Arbeit (welche die jetzt einzig
mögliche, aber wie wir sehn, negative Form der Selbstbetätigung ist), als
Mittel erscheint.
Es ist also jetzt so weit gekommen, daß die
Individuen sich die vorhandene Totalität von Produktivkräften aneignen müssen,
nicht nur um zu ihrer Selbstbetätigung zu kommen, sondern schon überhaupt um
ihre Existenz sicherzustellen. Diese Aneignung ist zuerst bedingt durch den anzueignenden
Gegenstand - die zu einer Totalität entwickelten und nur innerhalb eines
universellen Verkehrs existierenden Produktivkräfte. Diese Aneignung muß also
schon von dieser Seite her einen den Produktivkräften und dem Verkehr
entsprechenden universellen Charakter haben. Die Aneignung dieser Kräfte hat
selbst weiter nichts als die Entwicklung der den materiellen Produktions- <68> instrumenten entsprechenden individuellen
Fähigkeiten Die Aneignung einer Totalität von Produktionsinstrumenten ist schon
deshalb die Entwicklung einer Totalität von Fähigkeiten in den Individuen
selbst. Diese Aneignung ist ferner bedingt durch die aneignenden Individuen.
Nur die von aller Selbstbetätigung vollständig ausgeschlossenen Proletarier der
Gegenwart sind imstande, ihre vollständige, nicht mehr bornierte
Selbstbetätigung, die in der Aneignung einer Totalität von Produktivkräften und
der damit gesetzten Entwicklung einer Totalität von Fähigkeiten besteht,
durchzusetzen. Alle früheren revolutionären Aneignungen waren borniert;
Individuen, deren Selbstbetätigung durch ein beschränktes Produktionsinstrument
und einen beschränkten Verkehr borniert war, eigneten sich dies beschränkte
Produktionsinstrument an und brachten es daher nur zu einer neuen
Beschränktheit. Ihr Produktionsinstrument wurde ihr Eigentum, aber sie selbst
blieben unter die Teilung der Arbeit und unter ihr eignes Produktionsinstrument
subsumiert. Bei allen bisherigen Aneignungen blieb eine Masse von Individuen
unter ein einziges Produktionsinstrument subsumiert; bei der Aneignung der
Proletarier müssen eine Masse von Produktionsinstrumenten unter jedes
Individuum und das Eigentum unter Alle subsumiert werden. Der moderne
universelle Verkehr kann nicht anders unter die Individuen subsumiert werden,
als dadurch, daß er unter Alle subsumiert wird.
Die Aneignung ist ferner bedingt durch die Art und
Weise, wie sie vollzogen werden muß. Sie kann nur vollzogen werden durch eine
Vereinigung, die durch den Charakter des Proletariats selbst wieder nur eine
universelle sein kann, und durch eine Revolution, in der einerseits die Macht
der bisherigen Produktions- und Verkehrsweise und gesellschaftlichen Gliederung
gestürzt wird und andererseits der universelle Charakter und die zur
Durchführung der Aneignung nötige Energie des Proletariats sich entwickelt,
ferner das Proletariat alles abstreift, was ihm noch aus seiner bisherigen
Gesellschaftsstellung geblieben ist.
Erst auf dieser Stufe fällt die Selbstbetätigung
mit dem materiellen Leben zusammen, was der Entwicklung der Individuen zu
totalen Individuen und der Abstreifung aller Naturwüchsigkeit entspricht; und
dann entspricht sich die Verwandlung der Arbeit in Selbstbetätigung und die
Verwandlung des bisherigen bedingten Verkehrs in den Verkehr der Individuen als
solcher. Mit der Aneignung der totalen Produktivkräfte durch die vereinigten
Individuen hört das Privateigentum auf. Während in der bisherigen Geschichte
immer eine besondere Bedingung als zufällig erschien, ist jetzt die Absonderung
der Individuen selbst, der besondre Privaterwerb eines Jeden selbst zufällig
geworden.
<69> Die Individuen, die
nicht mehr unter die Teilung der Arbeit subsumiert werden, haben die
Philosophen sich als Ideal unter dem Namen "der Mensch" vorgestellt,
und den ganzen, von uns entwickelten Prozeß als den Entwicklungsprozeß
"des Menschen" gefaßt, so daß den bisherigen Individuen auf jeder
geschichtlichen Stufe "der Mensch" untergeschoben und als die
treibende Kraft der Geschichte dargestellt wurde. Der ganze Prozeß wurde so als
Selbstentfremdungsprozeß "des Menschen" gefaßt, und dies kommt
wesentlich daher, daß das Durchschnittsindividuum der späteren Stufe immer der
früheren und das spätere Bewußtsein den früheren Individuen untergeschoben
[wurde]. Durch diese Umkehrung, die von vornherein von den wirklichen
Bedingungen abstrahiert, war es möglich, die ganze Geschichte in einen
Entwicklungsprozeß des Bewußtseins zu verwandeln,
*
Schließlich erhalten wir noch folgende Resultate
aus der entwickelten Geschichtsauffassung: 1. In der Entwicklung der
Produktivkräfte tritt eine Stufe ein, auf welcher Produktionskräfte und
Verkehrsmittel hervorgerufen werden, welche unter den bestehenden Verhältnissen
nur Unheil anrichten, welche keine Produktionskräfte mehr sind, sondern
Destruktionskräfte (Maschinerie und Geld) - und was damit zusammenhängt, daß
eine Klasse hervorgerufen wird, welche alle Lasten der Gesellschaft zu tragen
hat, ohne ihre Vorteile zu genießen, welche aus der Gesellschaft
herausgedrängt, in den entschiedensten Gegensatz zu allen andern Klassen
forciert wird; eine Klasse, die die Majorität aller Gesellschaftsmitglieder
bildet und von der das Bewußtsein über die Notwendigkeit einer gründlichen
Revolution, das kommunistische Bewußtsein, ausgeht, das sich natürlich auch
unter den andern Klassen vermöge der Anschauung der Stellung dieser Klasse
bilden kann; 2 daß die Bedingungen, innerhalb deren bestimmte Produktionskräfte
angewandt werden können, die Bedingungen der Herrschaft einer bestimmten Klasse
der Gesellschaft sind, deren soziale, aus ihrem Besitz hervorgehende Macht in
der jedesmaligen Staatsform ihren praktisch-idealistischen Ausdruck hat, und
deshalb jeder revolutionäre Kampf gegen eine Klasse, die bisher geherrscht hat,
sich richtet (27);
3, daß in allen bisherigen Revolutionen die Art der Tätigkeit stets
unangetastet blieb und es sich nur um eine andre Distribution dieser Tätigkeit,
um eine neue Verteilung der Arbeit an andre Personen handelte, während die
kommunistische Revolution sich gegen die <70>
bisherige Art der Tätigkeit richtet, die Arbeit beseitigt (28)
und die Herrschaft aller Klassen mit den Klassen selbst aufhebt, weil sie durch
die Klasse bewirkt wird, die in der Gesellschaft für keine Klasse mehr gilt,
nicht als Klasse anerkannt wird, schon der Ausdruck der Auflösung aller
Klassen, Nationalitäten etc. innerhalb der jetzigen Gesellschaft ist; und 4.
daß sowohl zur massenhaften Erzeugung dieses kommunistischen Bewußtseins wie
zur Durchsetzung der Sache selbst eine massenhafte Veränderung der Menschen
nötig ist, die nur in einer praktischen Bewegung, in einer Revolution vor sich
gehen kann; daß also die Revolution nicht nur nötig ist, weil die herrschende
Klasse auf keine andre Weise gestürzt werden kann, sondern auch, weil die
stürzende Klasse nur in einer Revolution dahin kommen kann, sich den ganzen
alten Dreck vom Halse zu schaffen und zu einer neuen Begründung der
Gesellschaft befähigt zu werden.(29)